Große Momente der Heiterkeit – Bariton Gerald Finley.

Foto: Hendrich

Wien – Die Wiener Festwochen, sie mühen sich, die Wienerin und den Wiener mit ihren postkolonialistischen Gattungscrossdressingmultikultigenderjihadclubbings an einen vermeintlichen Puls der Zeit heranzuführen. Doch die Stadtbewohnerschaft, sie zeigt sich träge und akklamiert das Gestrige. Die alte Tante Wiener Konzerthaus beglückt ihre Kundschaft im Best-Ager-Alter mit Old-School-Formaten wie dem Liederabend; und wenn Sänger Gerald Finley und Pianist Julius Drake so einen bestreiten, dann ist die Hütte voll und es wird schon vor der Pause getobt wie bei den Jungen nicht.

Und es war auch wirklich komplett super. Gerald Finley stellte dank seines edlen und dunkel-kernigen Baritons von Beginn an eine vokale Autorität dar – was auch vonnöten war, da dieser Liederabend mit der Schilderung von Prometheus begann. Mit Goethes Worten und Franz Schuberts Klängen legte der Kanadier ein stolzes Zeugnis ab vom Glück, das aus einem selbstbewussten und somit auch eigenverantwortlichen Leben entspringen kann.

Das magnetische Klavier

Doch speziell im ersten, im Schubertteil des Liederabends ertappte man sich dabei, wie die Aufmerksamkeit immer wieder von der vokalen Führungskraft zum "Vasallen" abwanderte. Julius Drake hatte einen fantastischen Abend, mit virtuoser Leichtigkeit mischte er die Hintergrundfarben für das Hauptausstellungsstück eines Liederabends, die Singstimme.

Die Klanghüllen

Er kleidete Gerald Finleys festen Stimmkörper in mal luftige, mal wärmende Klanghüllen. Der Brite war Feingeist und Brutalo, war ein Gentleman, der auch zupacken kann, war Sturm und Hauch, Frost und Glut. Eine außergewöhnliche Leistung, die die Kunst als Tochter des Handwerks und des Genies auswies.

Tierisch lustige Petitessen und Großartigkeiten der Komponisten Francis Poulenc (Le bestiaire), Maurice Ravel, Mark-Anthony Turnage (Three songs) und Benjamin Britten (ausgewählte Lieder) folgten im zweiten Teil des Programms. Maurice Ravels Histoires naturelles über den im Hochzeitsornat auf seine Verlobte wartenden Pfau, die emsige, ängstliche Grille, den majestätischen Schwan, den blumenschönen Eisvogel und das bucklige, lärmende Perlhuhn beglückten hier besonders. So fein die Texte (von Jules Renard), so geistreich war die Musik! Und diese Ähnlichkeiten zwischen den Tieren und gewissen Exemplaren der Spezies Mensch ...

Gerald Finley bewies sich hier – und auch bei den insgesamt drei Zugaben – gleichermaßen als fesselnder Erzähler und auch als Entertainer: Was folgte, war logisch – also handfeste Begeisterung und lautstarke Euphorie im Mozartsaal. (Stefan Ender, 31.5.2017)