Zumindest mit dieser Pistole wird niemand mehr schießen – so schien sich Erwin Wurm anlässlich der Pressekonferenz im 21er-Haus noch einmal zu vergewissern.

Foto: APA / Hans Klaus Techt

Wien – Von einem kleinen Kratzer zu sprechen wäre eine große Untertreibung. Reingehackt, reingehaut, reingetreten hat der Bildhauer Erwin Wurm (geb. 1954) in seine "Performativen Skulpturen", als sie noch formbarer Ton waren, ordentlich geschunden hat er diese Miniaturarchitekturen oder diesen zur Monumentalität aufgeblasenen Seifenspender. Direkt harmlos, ja beinahe zärtlich wirkt da ein zentimetertiefer Schuhabdruck, der auf einem Couchobjekt prangt.

Fast empfindet man ja Mitgefühl mit diesem lädierten Handy, dieser mutmaßlich vom Auto überrollten Uhr. Nicht zuletzt, weil Wurm manche Objekte nach getaner Zerstörungsarbeit in Bronze oder Eisen goss, fühlt man sich inmitten dieser versehrten Alltagsgegenstände aber auch wie in einem kindlicher Zerstörungslust geweihten Tempel.

Diese Erfahrung kann man nun im 21er-Haus machen, wo Donnerstag Abend die Schau Performative Skulpturen eröffnet wird. Mit ihr komplettiert sich für Wurm eine Ausstellungstrilogie, deren andere Teile seine aktuellen Gastspiele im Kunsthaus Graz sowie auf der Biennale von Venedig sind. Es ist eine Trilogie, die von jener Erweiterung des Skulpturbegriffs erzählt, die den Künstler umtreibt.

Handlung in Objekt "einschreiben"

In Graz sind "Wortskulpturen" zu sehen, solche, die auf Gedanken beruhen. Sein Auftritt in Venedig basiert auf den berühmten "One Minute Sculptures", bei denen eine vom Betrachter ausgeführte Handlung Skulptur wird. Bei den seit den 1990ern entstehenden "Performativen Skulpturen" ging es Wurm nun darum, eine Handlung in ein Objekt "einzuschreiben" – respektive einen Wutausbruch. Ob dieser den Bildhauer packte, weil er die Idee, die ihm vorschwebte, verfehlt hat?

Nun, jedenfalls soll die hier verewigte Wut auch als Angriff auf die dargestellten Objekte selbst verstanden werden. Nicht zufällig wählte Wurm für die Serie House Attacks Gebäude mit "korrigierender Funktion", den Narrenturm etwa, aber auch das eigene Elternhaus. Nicht zufällig tat er just einer Pistole Gewalt an, als einem Symbol der Gewalt.

Dass er sich seit 2011 wieder verstärkt dieser Werkgruppe zuwendet, begründet Wurm auch damit, dass er, im Laufe der Jahre zunehmend bloßer Erfinder und Auftraggeber seiner Kunst, die Tuchfühlung zu den Objekten vermisste. Was man im Übrigen laut Kurator Severin Dünser aus den "Performativen Skulpturen" lernen könne, ist: "Nicht selbst zu einem Objekt werden, sondern Subjekt bleiben!" (Roman Gerold, 1.6.2017)