Nach acht Wochen am Berg und im Hochgebirge sind wir am Dienstag nach einem kurzen Flug gut, aber noch ohne Gepäck und Ausrüstung in Kathmandu gelandet.

Die letzten Tage im Khumbu nach unserem Abstieg vom Berg waren noch ziemlich ereignis- und arbeitsreich: Innerhalb von zwei Tagen das gesamte Basislager abbauen, säubern, die Ausrüstung zusammentragen, wieder verpacken und verstauen, Zelte trocknen und so weiter.

Abbau des Basislagers
Foto: Hannes Gröbner

Als unsere Yak-Karawane eintraf, wurden die Tiere rasch beladen. Dann der Abstieg: Drei relativ lange, aber für uns auch sehr entspannende Tage vom Everest-Basecamp nach Pangboche, anschließend nach Namche Bazaar und schließlich nach Lukla.

Wieder dickere Luft atmen

Interessanterweise – irgendwie hatten wir das schon geahnt – waren wir fast die einzigen Bergsteiger, die diese Strecke zu Fuß bewältigten. Nahezu alle anderen Bergsteiger lassen sich per Hubschrauber nach Lukla oder gar nach Kathmandu fliegen.

Dabei ist dieser Abstieg weg vom ewigen Winter des Hochgebirges ein Erlebnis, das wir nicht missen möchten. Schritt für Schritt die dickere Luft zu atmen, den Wechsel der Vegetation zu sehen – bei Tengboche erblickten wir die letzten blühenden Rhododendren, erste Blumen, Vogelgezwitscher und atmeten endlich wärmere, feuchtere Luft.

Unsere Ausrüstung wird abtransportiert.
Foto: Hannes Gröbner

Schlechtes Wetter am Everest

Was von unserer Everest-Expedition bleibt, sind viele Erinnerungen. Und viele offene Fragen über unsere Taktik am Berg, auch über die Wettervorhersagen und das Wetter im Allgemeinen. Ich denke, die Saison 2017 war im gesamten Himalaya sehr schwierig. Viele Expeditionen wurden ohne Gipfelerfolg abgebrochen, am Makalu, an der Annapurna, an der Shisha Pangma, am Dhaulagiri.

Natürlich gab es an diesen Bergen auch geglückte Besteigungen, aber die meisten anspruchsvollen Projekte, also entlang spezieller Routen beziehungsweise ohne Flaschensauerstoff oder, wie wir geplant hatten, im Alpinstil, konnten nicht erfolgreich durchgeführt werden. Ein großer Dank gilt jedenfalls dem Meteorologen Karl Gabl, der uns mit Infos versorgt und bestens unterstützt hat.

Morgendlicher Gipfelblick
Foto: Markus Amon

Erfolg und Risiko

Natürlich macht man sich auch Gedanken über den Erfolg. Wird der Erfolg nur durch das Erreichen des Gipfels definiert, so waren viele dieser Expeditionen nicht erfolgreich – aber viel wichtiger ist, gesund und ohne bleibenden Schaden wieder zurückzukehren. Alleine am Everest spricht man heuer von bis zu elf Toten – die Zahlen sind widersprüchlich und nicht bestätigt –, aber auch von vielen teils sehr schweren Erfrierungen. Markus Amon und mir selbst, aber auch unseren früheren Expeditionspartnern Noemi und Georg, war es immer das größte Anliegen, gesund und ohne Schaden wieder abzusteigen. Der Berg bleibt ja bekanntlich stehen, aber Gliedmaßen wachsen nicht wieder nach.

Und wir haben es wieder geschafft, als Freunde zurückzukehren. Natürlich gibt es in Ausnahmesituationen, wie wir sie erlebt haben, auch Unstimmigkeiten. Aber wichtig ist, dass das gemeinsam Erlebte verbindet und nicht entzweit. Und dass wir das gemeinsame Bier hier in Kathmandu genießen können.

Selbstverständlich hätten wir am Berg anders entscheiden können, im Lichte der damals zur Verfügung stehenden Informationen ein Risiko eingehen und vielleicht auch den Gipfel erreichen können. Aber das Risiko war einfach zu groß. Alpinstil auf über 8000 Metern, auf dem höchsten Berg der Welt, da sollten optimale Bedingungen vorherrschen. Das sind wir auch unseren Familien schuldig, die während der vergangenen Wochen mitgefiebert, mitgelitten und wohl auch einiges an Anspannung, Unsicherheit und Angst verspürt haben.

Die wahren Helden: Sherpas, Hochträger und Guides

Was wir am Everest gesehen und erlebt haben, hat uns teilweise regelrecht schockiert. Der Großteil der Bergsteiger, die den Berg besteigen wollen, ist dort leider gänzlich fehl am Platz. Viele haben noch nie Steigeisen benutzt geschweige denn angezogen, manche haben noch nie einen Berg bestiegen. 95 Prozent sind mit Flaschensauerstoff unterwegs, viele ab Lager 2 (6500 Meter), fast alle spätestens ab Lager 3 (7000 Meter). Unmengen an Sauerstoffflaschen werden auf den Berg transportiert, um diesem Bedarf gerecht zu werden. Es sind die Sherpas, Hochträger und Guides, die als wahre Helden dies ermöglichen – für einen relativen Hungerlohn. 

Im Basislager
Foto: Markus Amon

Auswüchse des 8.000er-Tourismus

Neu ist, dass sich sehr viele Bergsteiger nach ihrem Gipfelgang aus dem Lager 2 (6500 Meter) oberhalb des Khumbu-Eisfalls per Hubschrauber ins Basislager ausfliegen lassen. Noch vor ein paar Jahren hätte dies nicht als geglückte Besteigung gegolten. Diese Bergsteiger haben dann oftmals nur eine knappe Stunde Zeit, um im Basislager ihre Taschen zu packen bevor es direkt nach Kathmandu geht.

Sehr beliebt ist auch, nach einer kurzen Akklimatisation am Berg, für ein paar Tage Rast und Erholung nach Kathmandu ins 5-Sterne-Hotel zu fliegen, um sich am Pool zu erholen, bevor es wieder per Heli ins Basislager geht und dann direkt in Richtung Gipfel. Das lässt sich natürlich nur mit dem entsprechenden Sauerstoffeinsatz bewältigen. Eine konservative Schätzung geht von mindestens 1.000 Heli-Starts und Landungen im Basislager im Zeitraum von circa acht Wochen aus. Das ist "Big Business". 

In welche Richtung entwickelt sich das? Nun, das wird sich natürlich erst zeigen. Ich befürchte, auch aufgrund der Massen an Touristen am Berg, dass größere Katastrophen und eine zunehmende Zahl von Todesfällen nicht lange auf sich warten lassen. Sollte man den Berg strenger reglementieren, weniger Permits ausgeben, vielleicht ein Tourenbuch verlangen? Eine Diskussion auf die ich mich nicht einlassen möchte.  

Abendstimmung auf 7300 Metern.
Foto: Markus Amon

Erinnerungen an Schinderei verblassen

Für Markus und mich, im geringeren Umfang für Noemi und Georg, die uns im Basislager verlassen haben, bleiben einige sehr erlebnisreiche Wochen unseres Lebens. Erfahrungen, die uns niemand mehr nehmen kann. Erlebtes, das im Moment nicht immer lustig war, aber der Blick darauf im Nachhinein verklärt sehr rasch. Mittlerweile verblassen die Erinnerung an die ganze Schinderei, an die Kälte, den Wind, die schlechten Nächte in den Hochlagern. Übrig bleiben die großen Erinnerungen an die Freundschaft mit Nepalesen, Sherpas und westlichen Bergsteigern, die wir kennenlernen durften, das Lachen im Basislager, die Ruhe am Berg, die Sonnenauf- und untergänge. (Hannes Groebner, 31.5.2017)