Probleme für Richard Ferrand (Bild) und seinen Chef, Präsident Emmanuel Macron.

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Paris – Wegen einer Immobilienaffäre wächst der Druck auf einen engen Vertrauten von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron: Die Justiz leitete am Donnerstag Vorermittlungen gegen den Minister für den territorialen Zusammenhalt, Richard Ferrand, ein. Eineinhalb Wochen vor der Parlamentswahl belastet die Affäre um ein früheres Immobiliengeschäft zunehmend Macrons Regierung.

Hintergrund ist ein Immobiliendeal aus dem Jahr 2011. Das damals von Ferrand geleitete Krankenversicherungsunternehmen Mutuelles de Bretagne wollte in der nordwestfranzösischen Stadt Brest ein Gebäude mieten, um ein neues Gesundheitszentrum einzurichten. Den Zuschlag bekam eine Immobiliengesellschaft im Besitz von Ferrands Lebensgefährtin. Diese konnte die betreffende Immobilie erst aufgrund dieser Zusage mittels eines Kredites erwerben.

Das Gebäude wurde anschließend auf Kosten der Versicherung umfassend saniert, was den Wert der Immobilie erheblich steigerte. Es besteht der Verdacht der Günstlingswirtschaft. Die Affäre ins Rollen gebracht hatte vergangene Woche die investigative Satirezeitung "Le Canard Enchaine".

Kein Schuldspruch

Die Staatsanwaltschaft von Brest hatte es vergangene Woche noch abgelehnt, in der Affäre Vorermittlungen einzuleiten. Es gebe keine Hinweise auf eine Straftat. Nun vollzog die Behörde die Kehrtwende: "Nach der Analyse ergänzender Elemente" habe er die Kriminalpolizei mit ersten Ermittlungen betraut, erklärte Staatsanwalt Eric Mathais am Donnerstag.

Die Aufnahme von Vorermittlungen bedeutet nicht, dass jemand für schuldig gehalten wird. Die Strafverfolger können aber nach solchen ersten Untersuchungen entscheiden, ob es Anlass für umfassende Ermittlungen gibt.

In der Zwischenzeit hatte es weitere Medienenthüllungen gegeben. Außerdem erstattete die Anti-Korruptions-Organisation Anticor Anzeige. Diese ist nicht nur gegen Ferrand gerichtet, sondern auch gegen den Verwaltungsrat von Mutuelles de Bretagne und gegen Ferrands Lebensgefährtin Sandrine Doucen. Es müsse geprüft werden, ob sich Doucen auf Kosten der Versicherung rechtswidrig bereichert habe, sagte ein Anticor-Anwalt.

Legal, öffentlich, transparent

Der Minister und frühere Generalsekretär von Macrons Bewegung "En Marche!" hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen und einen Rücktritt ausgeschlossen. Am Mittwoch betonte er: "Alles, was ich in meinen Berufsleben getan habe, ist legal, öffentlich, transparent."

Regierungschef Philippe hatte sich wiederholt hinter Ferrand gestellt. Das Umfeld des Premiers stellte am Donnerstag klar, die Einleitung der Vorermittlungen ändere daran nichts. Offizielle Linie ist, dass ein Minister erst dann zurücktreten muss, wenn ein formelles Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wird. Laut einer am Mittwoch – also vor Einleitung der Vorermittlungen – veröffentlichten Umfrage sind allerdings sieben von zehn Franzosen der Meinung, Ferrand müsse zurücktreten.

Staatschef Macron wollte die Angelegenheit bei einem Besuch in Westfrankreich nicht kommentieren: "Ich werde darauf nicht antworten." Regierungssprecher Christophe Castaner bezeichnete die Vorermittlungen als "gute Nachricht, denn sie werden es erlauben, aus der moralischen Debatte herauszukommen". Die "freie und unabhängige Justiz" könne die Vorwürfe jetzt prüfen.

Die Affäre um einen der engsten Vertrauten des Präsidenten lastet kurz vor der Parlamentswahl auf dem Ansehen der Regierung. Im Wahlkampf hatte Macron den Kampf gegen Günstlingswirtschaft in der Politik zu einem seiner Leitmotive gemacht. Der 39-Jährige betonte stets, Politiker müssten untadelig und vorbildlich sein. Nach seinem Wahlsieg am 7. Mai hofft Macron, dass seine noch junge Partei bei der Parlamentswahl am 11. und 18. Juni ebenfalls erfolgreich abschneidet und ihm so den nötigen Rückhalt für seine Reformpolitik in der Nationalversammlung verschafft.

Gesetz für mehr Moral

Die vorläufigen Ermittlungen wurden just an dem Tag eingeleitet, an dem die Regierung die Grundzüge für ein neues Gesetz für "mehr Moral in der Politik" vorstellen wollte. Justizminister Francois Bayrou wollte am Nachmittag einen Entwurf vorlegen, der es unter anderem Abgeordneten verbietet, Familienangehörige zu beschäftigen. Hintergrund ist dabei die Scheinbeschäftigungsaffäre um Familienmitglieder des konservativen Präsidentschaftskandidaten Francois Fillon, die diesem möglicherweise den Wahlsieg gekostet hat.

Der konservative Politiker Xavier Bertrand sagte am Donnerstag, dieses neue Gesetz werde durch die Ferrand-Affäre "unglaubwürdig". Die Vorsitzende der rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen, warf Ferrand "persönliche Bereicherung" vor. Die Affäre sei der Fillon-Affäre "verdammt ähnlich".

Neben Ferrand sieht sich auch Europa-Ministerin Marielle de Sarnez mit Vorwürfen aus dem rechten Lager konfrontiert. Demnach soll es bei der Beschäftigung in Sarnez' Mitarbeiterstab während ihrer Zeit als EU-Abgeordnete zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Sie hat dies zurückgewiesen. In der Harris-Umfrage sprachen sich 62 Prozent für ihren Rücktritt aus. (APA, red, 1.6.2017)