Die Como Mamas preisen auf "Move Upstairs" den Herrn. Das berührt, ob man glaubt oder nicht.

Daptone Rec.

Wien – Du sollst mit Gott kein Geld verdienen. Dieses von der Kirche erfolgreich unterschlagene elfte Gebot Moses gilt am ehesten noch im Musikgeschäft. Denn Gospelmusik ist nicht gerade jenes Fach, das die fettesten Gewinne abwirft. Höchstens als Kollateralsegen für die Kirchen, die den Klingelbeutel höher halten als das Ansehen des Herrn.

Obwohl Gospel einige Stars und Superstars hervorgebracht hat, gilt es nicht als erste Adresse für einschlägige Verwerter. Deshalb konvertierten viele spätere Soul- und Funkstars, die in den afroamerikanischen Kirchen singen gelernt hatten, unter dem Eindruck hormoneller Veränderung und monetärer Verführung zur weltlichen Musik. Bis heute ist Gospel in der Wahrnehmung des Publikums nachgereiht. Dabei wurzelt die archaische Überzeugungskraft des Soul meist in der Hingabe, mit der in den Kirchen gesungen wurde und wird.

Soul-Renaissance

Das New Yorker Label Daptone hat in den letzten 15 Jahren Soul im akustischen Gewand der späten 1960er-Jahre zu einer globalen Renaissance verholfen, indem es mit Sharon Jones, selig, Charles Bradley oder Lee Fields Stars aufbaute. Mit Naomi Shelton und ihren umwerfenden Gospel Queens würdigte der Verlag dieses Genre ebenfalls und veröffentlichte mit Sheltons Alben zwei seiner Meisterwerke.

Soziale Identität

Mit den Como Mamas präsentiert Daptone nun einen weiteren Gospel-Act. Zwar haben die Mamas bereits ein Werk veröffentlicht, doch darauf befanden sich nur A-cappella-Songs, roh, ungeschliffen, das muss man mögen.

Nun aber ist Move Upstairs erschienen, das zweite Album der Mamas aus Como, Mississippi. In ihren gewaltigen Rücken haben sie eine gewaltige Band, die aus Daptone-Fixsternen wie Jimmy Hill, Thomas Brenneck, Homer Steinweiss oder dem Labelchef Gabriel Roth besteht.

Die Como Mamas sind Ester Mae Smith, Angela Taylor und Della Daniels. Verwandt beziehungsweise befreundet seit immer, ist das gemeinsame Singen ihrer kulturellen und sozialen Identität eingeschrieben


Der Titeltrack des neuen Albums der Como Mamas.
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Como ist ein Kaff 70 Kilometer südlich von Memphis, Tennessee. Bereits als Kinder empfingen die heutigen Como Mamas die Signale aus dieser Musikwelthauptstadt. An ihren Kofferradios lauschten sie den schwarzen Sendern, verstärkten die Signale mit Kleiderbügeln und Stanniolpapier, um die Gesänge der Blueser und die Verheißungen der Soulsänger aus der fernen Stadt besser vernehmen zu können. Elvis war da ebenso bedeutend wie Bobby Bland oder Otis Redding.

Musik war damals mehr als bloß akustisches Geplätscher. Sie galt als Informationsmedium, das sich in den USA in den 1960ern im Zuge der Bürgerrechtsbewegung politisierte. In Como hat man das ebenfalls wahrgenommen, spätestens am Sonntag wurde es aber ausgeblendet. Am Sonntag geht es in die Kirche. Stundenlang wird dort die frohe Botschaft verkündet, empfangen und zurückgesendet. "Call and Response" heißt diese Technik, und die Como Mamas haben sie wie eine zweite Muttersprache verinnerlicht. Es ist eine lebensbejahende Sprache.

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Schon der Titel des Albums klingt wie ein Versprechen: Move Upstairs. Ein Versprechen aufzusteigen, dorthin, wo irdische Sorgen keine Rolle mehr spielen. Das Prinzip Hoffnung prägt Gospel so wie die Freude am Leben, mag es einen noch so prüfen.

Die Songs auf Move Upstairs illustrieren das. Viele sind mehr oder weniger bewegte Rumpler, die mit erhobenen Händen das Leben als Geschenk begreifen. Almighty God Mighty God ist so ein Stück. Uptempo, Lobpreisung. Die Reibeisenstimmen der Mamas transportieren die Informationen des harten Alltags, die Stimmung ist dennoch optimistisch. Man muss deshalb auch kein religiöser Mensch sein, um die "good vibes" dieser Musik zu empfangen. Das Gottvertrauen der Como Mamas funktioniert als infizierender Optimismus abseits der Konfessionen.

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Die Band im Hintergrund spielt dazu nur das Notwendigste. Ein paar Orgelstöße hier, knappe Licks dort, einmal reicht die Basstrommel als alleiniger Rhythmusgeber, dann wieder muss es der Funk der Snare Drum sein, der ein Lied wie He's Mine in Richtung Himmelszelt beschleunigt.

Träge Eleganz

Diese Zutaten summieren sich als träge Eleganz, die das Erscheinungsbild des Werks bestimmt. Es ist eine uneitle Musik, keine Egomanie, sondern eine soziale Leistung. Diese geht einem unter die Haut, diese fährt einem ins Tanzbein. Sie geht vor Gefühl über, ohne einen damit zu erdrücken. Was die Como Mamas auf ihrem Album singen, tragen sie auch vor, wenn sie nicht im Studio stehen. Man kann es Authentizität nennen, wenn man diese Zuschreibung nicht nur als plattes Etikett für Exotik missbraucht. Man kann aber auch einfach sagen, diese Musik ist eine Wucht. Belassen wir es dabei. (Karl Fluch, 2.6.2017)