Wien – Für den neuen Erwachsenenschutz gibt es, um die laut Uno behindertenrechtswidrigen österreichischen Sachwalterschaften zu ersetzen, ein Gesetz, das im Juli 2018 in Kraft treten wird. Aber aufgrund eines Streits zwischen den ÖVP-Ministern Hans Jörg Schelling und Justizminister Vizekanzler Wolfgang Brandstetter gibt es bisher (wie der STANDARD berichtete) kein Geld, wobei die beiden Minister aber versichern, dass die Finanzierung gesichert sei.

Thema waren die offenen Fragen auch bei der Abschlussveranstaltung der Arbeitsgruppe Erwachsenenschutz am Mittwochabend im Justizministerium in aller Munde. Tenor der Kommentare: Sollte sich am Nein Schellings nichts ändern, hätte man dreieinhalb Jahre Arbeit verloren. Die Bemühungen im Rahmen des 2014 im Justizministerium unter Beteiligung von Sachwalter- und Behindertenrechtsvertretern gestarteten Forums – dessen Output, das Erwachsenenschutzgesetz, heuer Ende März im Nationalrat einstimmig beschlossen wurde, wären dann letztlich umsonst gewesen.

"Paradigmenwechsel mit Vorlaufzeit"

Konkret hatte Schelling Brandstetter vor zwei Wochen schriftlich untersagt, die 24 Millionen Euro, die für den Start des neuen Vertretungssystems veranschlagt sind, aus Rücklagen des Justizministeriums zu nehmen: "Woher das Geld kommt, ist mir als Bürger egal. Nur, ohne Geld ist das Erwachsenenschutzgesetz totes Recht", sagt Martin Ladstätter, Obmann des Zentrums für selbstbestimmtes Leben (Bizeps).

Laut Ladstätter ist der Übergang von Sachwalterschaften zum Erwachsenenschutz, der Betroffenen mehr Selbstbestimmung ermöglichen soll, "ein Paradigmenwechsel mit Vorlaufzeit". Richter und bisherige Sachwalter müssten umgeschult, zusätzliches Personal müsse angestellt werden.

Und zwar nicht nur für den Erwachsenenschutz als solchen, fügt Peter Schlaffer, Geschäftsführer des Vertretungsnetzes – eines von vier Sachwaltervereinen – hinzu. Auch die mitbeschlossene Kontrolle in Heimen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung stehe oder falle mit der Finanzierung.

"Kurz muss Stellung nehmen"

In der SPÖ zeigt sich Ulrike Königsberger-Ludwig, Sprecherin für Menschen mit Behinderung angesichts des Konflikts beim Koalitionspartner "besorgt". Derzeit seien immerhin 60.000 Menschen besachwaltet. "Schwer enttäuscht" wiederum ist Justizsprecher Hannes Jarolim – und er fordert: "ÖVP-Chef Sebastian Kurz muss Stellung nehmen." (Irene Brickner, 2.6.2017)