Wien – Der Senat 3 des Presserats sieht bei der "Kronen Zeitung" und beim "Kurier" Verstöße gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. In mehreren Artikeln geht es um einen steirischen Arzt, der wegen der Misshandlung seiner Kinder angeklagt ist und mit vollem Namen genannt wird. Für den Presserat bewertete die namentliche Nennung des Arztes in den Artikeln als Persönlichkeitsverletzung. "Kronen Zeitung" und "Kurier" berichteten Ende Jänner und Anfang März über den Fall.

Der Senat ist der Ansicht, dass auch die Persönlichkeitssphäre von Angeklagten prinzipiell schutzwürdig ist und die Medien deshalb nicht in jedem Fall den Namen oder die Fotos von mutmaßlichen Straftätern preisgeben dürfen. Die Preisgabe ihrer Identität in den Medien kann zu einer – aus medienethischer Sicht bedenklichen – zusätzlichen "Prangerwirkung" führen, informiert der Presserat in einer Aussendung.

In der Begründung heißt es: "Dem Senat war es zwar bewusst, dass dem angeklagten Arzt schwere Straftaten zur Last gelegt werden. An den Berichten über das Strafverfahren erkannte der Senat daher ein entsprechendes öffentliches Interesse. Die strafrechtlich relevanten Vorwürfe bewertete der Senat jedoch als nicht so schwerwiegend, dass auch der volle Name des Angeklagten angeführt werden darf. Der Angeklagte ist nach Ansicht des Senats keine allgemein bekannte Person. Dass der Bruder des Angeklagten ein bekannter Politiker ist, darf sich nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken. Der Senat hatte den Eindruck, dass die Namensnennung in erster Linie deshalb erfolgte, weil der Bruder des Angeklagten in der Öffentlichkeit steht." (red, 2.6.2017)