Der Weg führt links einen leichten Hügel hinab, fort von der Hauptstraße. Entlang des Mäuerchens sitzen schon die ersten Tiere. Manche sind an den Beinen mit einer Schnur fixiert und hocken auf ihren Käfigen, andere blicken von innen heraus lethargisch in die Außenwelt. Vor allem die nachtaktiven Tiere wie Fledermäuse und Käuzchen dämmern in der brütenden Hitze vor sich hin, die Augen zu kleinen Schlitzen zusammengezogen. Ihr bernsteinfarbenes Gefieder setzt sich ab gegen das Grau der Großstadt Malang im Süden Javas, der Hauptinsel von Indonesien.

Ganz in der Nähe des Universitätsviertels befindet sich einer der größten "Bird Markets" des Landes mit etwa 200 Ständen. Hier werden dutzende Arten feilgeboten, von Singvögeln bis zu grellbunten Sittichen. Es ist ein alter Brauch der Javaner, einen Vogel als Glückspaten zu besitzen. Das erklärt die bunten Käfige vor zahlreichen Häusern und Läden auf der ganzen Insel mit aktuell etwa 145 Millionen Einwohnern.

Die Bevölkerung Javas wächst rasant und mit ihr auch die Nachfrage nach den speziellen Vögeln: Im Vorjahr veröffentlichte das Wildlife-Trade-Monitoring-Netzwerk Traffic eine Liste mit 13 indonesischer Vogelarten, deren Bestand in freier Wildbahn so eklatant gesunken ist, dass sie aussterben könnten. Unter ihnen befindet sich auch das nationale Wappentier, der Java-Haubenadler.

Auf dem Vogelmarkt von Java werden Brillenvögel angeboten.
Foto: Julia Herrnböck

Vor den Augen der Polizei

Je seltener und exotischer die Tiere sind, desto begehrter sind sie. Das gilt jedoch nicht nur für Vögel: Auch Wildkatzen, Affen und Reptilien können auf den Märkten Indonesiens gekauft werden. Orang-Utans soll es schon ab 200 US-Dollar, umgerechnet rund 180 Euro, geben. Der Handel mit geschützten oder in freier Wildbahn gefangenen Tieren ist in Indonesien zwar verboten, wird aber kaum verfolgt.

Bestes Beispiel ist der Vogelmarkt von Malang. Ein Händler preist dutzende gelbgrüne Javan white-eye an, sogenannte Brillenvögel in der Ordnung der Sperlinge, sie stehen auf der roten Liste der gefährdeten Arten. Die Polizeistation liegt nur einen Steinwurf vom Markt entfernt, Gefahr droht ihm offensichtlich keine.

Die Polizisten würden regelmäßig Geld zugesteckt bekommen, sagt S. Wayan. Der Balinese engagiert sich seit Jahren in NGOs für Naturschutz und Menschenrechte in Indonesien. Bereits dreimal wurde er wegen seiner Aktionen inhaftiert, zuletzt als er den Chef der Polizeistation öffentlich der Korruption bezichtigte. Seither ist er vorsichtig geworden. Er hat drei Kinder, sein Name soll nicht mehr in der Zeitung stehen. Heute führt er Touristen zu Attraktionen, in denen Tiere vorkommen, erklärt ihnen die Hintergründe und wie es um den Naturschutz in seinem Land steht.

Auch ein junger Nachtreiher harrt in der brütenden Hitze aus.
Foto: Julia Herrnböck

Verkauf auch über Österreich

Die Rodung der Regenwälder für den ertragreichen Anbau von Palmölplantagen etwa gefährdet nicht nur die Orang-Utans. Der Lebensraum vieler Arten wird zerstört. Über die neu gebauten Straßen können Wilderer noch schneller und tiefer in die Wälder eindringen, um dort nach seltenen Tieren zu jagen. Binnen zweier Wochen, heißt es am Markt, sei so ziemlich alles zu beschaffen.

Wie schnell der weltweite Markt für illegale Tiere reagiert, dokumentiert ein Fall aus dem Jahr 2008: Ein Forscherteam auf Borneo stieß zufällig auf eine rötlich braune Echse im Unterholz. Sie fotografierten sie und ließen sie ziehen. Erst Monate später wurde klar, welche Sensation sie entdeckt hatten: Der Borneo-Taubwaran, der bei ihrem Mittagessen vorbeispaziert war, wurde zuletzt 1963 gesehen. Er galt als so gut wie ausgerottet – ein wahres Lustobjekt für Sammler exotischer Tiere.

Aus Angst vor Wilderern verschleierten die Forscher in ihrem Bericht die exakten geografischen Koordinaten der Fundstelle. Doch nur ein Jahr nach Veröffentlichung wurden die ersten Tiere online zum Verkauf angeboten. Der Japaner Tsuyoshi Shirawa, ein etwas exzentrischer Besitzer des iZoo im Osten Japans, wo zum Teil seltene Reptilien, Amphibien und Insekten ausgestellt werden, besitzt mehrere Borneo-Taubwarane. Nach eigener Aussage hat er Tiere auch über Deutschland und Österreich bezogen, sie können zum damaligen Zeitpunkt nur aus Borneo stammen. Nun versucht Shirawa sie zu züchten.

Der Bird Market in Malang ist bei weitem nicht der einzige Umschlagplatz für wilde und seltene Tiere auf Java. 2009 dokumentierte die NGO Pro Fauna das Ausmaß des Handels: In den 70 besuchten Märkten wurden 54 Prozent der ausgestellten Tiere eindeutig als geschützte Arten identifiziert. Die Dunkelziffer liegt weit höher: Viele Händler boten den Forschern weitere illegale Tiere unter der Hand an, die sie in Warenhäusern oder bei sich zu Hause versteckt halten.

Wer seine Ware nicht auf dem traditionellen Weg loswird, hat gute Chancen im Internet. Anders als bei Waffen oder Rauschgift werden im sogenannten Darknet, einem anonymen Marktplatz für kriminelle Geschäfte, kaum Tiere angeboten. Einfach aus dem Grund, weil es so unwahrscheinlich ist, erwischt und bestraft zu werden.

Rund 200 Stände hat der "Bird Market" auf Java.
Foto: Julia Herrnböck

Fatwa gegen Wildtierfang

Parallel zum Wunsch nach exotischen Tieren – mit den entsprechenden Folgen im Artenschutz – entsteht auch ein stärkeres Bewusstsein für die Verwundbarkeit des Ökosystems. 2014 erließ der muslimische Rat von Ulema eine Fatwa, wonach das Fangen und Verkaufen wilder Tiere "haram", also unrein ist. Die religiöse Rechtsordnung ist zwar gesetzlich nicht bindend, hat aber durchaus moralisches Gewicht im größten muslimischen Land der Erde.

Die Mitarbeiter von Traffic, die im Vorjahr den dramatischen Rückgang vieler Vogelarten in ihrem Bericht darlegten, haben neben der Hiobsbotschaft auch einige Lösungsvorschläge zusammengetragen. Neben den naheliegenden Ansätzen, wie etwa der stärkeren Durchsetzung geltenden Rechts und der Erhaltung der natürlichen Lebensräume, sollen die Einheimischen mobilisiert werden. Es gibt bereits erste Erfolge auf den Philippinen zu verzeichnen, wo Vogelfänger zu Guides für vogelinteressierte Touristen umgeschult werden. Da sie dadurch ihr Einkommen durch die Existenz der Wildtiere beziehen, steigt auch ihr Interesse am Artenschutz. (Julia Herrnböck aus Java, 12.6.2017)