Hardegg – Geht man von Hardegg in Niederösterreich über die Thayabrücke Richtung Cízov in Tschechien, endet in der Mitte die grüne Farbe des Geländers abrupt und es wird türkis. "Die Absprache einer gemeinsamen Renovierung ist zwischen zwei EU-Staaten offenbar nicht möglich", sagt der Hardegger Bürgermeister Heribert Donnerbauer und lacht. Daher hält jedes Land seine Hälfte der Brücke instand. In Sachen Naturschutz ist man sich aber eins: Die Nationalparks Thayatal und Podyjí bilden ein rund 76 Quadratkilometer großes Schutzgebiet. Zusammen werden Forschungsprojekte und Artenschutz vorangetrieben. Tschechien erklärte ein 63 Quadratkilometer großes Gebiet 1991 zum Nationalpark, Österreich folgte im Jahr 2000.

Der flächenmäßig recht kleine Nationalpark Thayatal beherbergt die Hälfte aller österreichischen Pflanzenarten.
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Klein, aber vielfältig

Mit 13,3 Quadratkilometern entstand damit zwar der flächenmäßig kleinste Nationalpark in Österreich, er beherbergt aber mit rund 1300 fast die Hälfte aller Pflanzenarten des Landes. Als Grund für die Biodiversität gilt, dass sowohl feuchteres Hochflächenklima als auch kontinental beeinflusstes, pannonischen Klima vorherrscht.

Die klimatischen Bedingungen ziehen auch zahlreiche seltene Tierarten an. "Acht von zehn Spechtarten kommen hier vor", sagt Bernadette Lehner, Mitarbeiterin des Nationalparks. Gerade der Weißrückenspecht suche sich nur sehr unberührte Wälder aus. Auch der Seeadler brütet im Umfeld. Der Schwarzstorch, "der scheue Bruder des Weißstorchs", wie Lehner ihn bezeichnet, findet hier ebenfalls ein Refugium.

Der Fischotter, der in Niederösterreich aufgrund von Abschussquoten gerade kein einfaches Leben hat, wird im Thayatal gesichtet. Gerade für Insekten ist das Totholz wichtig, das in Nationalparks bewusst liegengelassen wird: So findet der Hirschkäfer Eichenholz, in dem seine Larven viele Jahre lang leben.

Er bietet auch der scheuen Wildkatze einen Rückzugsort.
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Vor zehn Jahren konnte zudem das Vorkommen der bereits für ausgestorben gehaltenen Wildkatze nachgewiesen werden. Seither wurde sie zwölfmal gesichtet, berichtet Nationalparkgeschäftsführer Christian Übl. Die Populationsgröße des scheuen Tieres sei aber noch unbekannt. Ein Mittel, Wildkatzen nachzuweisen, sind mit Baldrian präparierte Lockstäbe. Sie riechen für die Katzen so unwiderstehlich, dass sie sich daran reiben. Die Haare werden genetisch untersucht.

Der Natur zurückgeben

"Wir setzen weder Tiere noch Pflanzen aus. Die Natur hat uns überrascht, dass es so schnell gehen kann", sagt Lehner. Der einzige Eingriff ist, dass das Nadelholz langsam entnommen wird, um den Wald wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu bringen.

Eine aktuelle Herausforderung ist der Zustand der Thaya. Ein 30 Meter breiter Staudamm auf tschechischer Seite hat den Fluss schon vor Jahrzehnten dramatisch verändert. Stromabwärts vom Kraftwerk ist die Wassertemperatur heute im Sommer zehn Grad kühler. War die Thaya im Nationalparkgebiet zuvor ein Wärmegewässer von rund 22, sank ihre Temperatur auf 12 Grad. Im Winter liegt sie dagegen um vier bis fünf Grad höher. Fische, die wärmeres Wasser brauchen, sind verschwunden. Früher gab es Karpfen, heute Forellen.

Das Projekt Thaya 2020 soll die Artenvielfalt im Fluss wieder herstellen.
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Zudem sind die Fische in den 42 Kilometern Flussverlauf eingesperrt, können nicht mehr wandern. "Ein genetischer Austausch wäre wichtig", sagt Franz Steiner von der Via Donau. Durch das Kraftwerk kommt zudem nur feiner Sand mit, der den Flussboden verschließt. Fischeier können nicht mehr am Gestein haften. Mit dem Projekt Thaya 2020 soll ein grenzüberschreitender Laichplatz eingerichtet und zwei Mäander sollen wieder angebunden werden. Das soll Lauflänge zurückgeben und Lebensräume schaffen. (Julia Schilly, 5.6.2017)