Bologneser Tränen, bevor sie sich in Glasstaub auflösen.

Michael Grogan, University of Virginia.

Sie schauen ein wenig aus wie durchsichtige Kaulquappen oder Spermien und stellen Materialwissenschafter seit rund 400 Jahren vor Rätsel: Bologneser Tränen (auf Englisch heißen sie übrigens Prince Rupert's drops) sind lang gezogene Tropfen aus Glas, die in Wasser abgekühlt werden und so ihre charakteristische Form erhalten.

Im 17. Jahrhundert verwendete man sie sinnloserweise in der Medizin, bald aber überwog das physikalische Faszinosum: Das dicke Ende der Glasträne kann man auch mit einem Hammer bearbeiten, ohne dass sie zerbirst. Eine kleine Beschädigung an der Geißel bringt die Bologneser Träne jedoch zur spektakulären Explosion. Das geht so schnell, dass man mit dem gewöhnlichen Schauen nicht nachkommt: Die sogenannte Zerfallsfront breitet sich mit rund 1.600 m/s aus, was die Detonationsgeschwindigkeit von Schwarzpulver übertrifft.

Lichtbrechung zeigt enorme Spannung an

Die Physik weiß längst, dass dieses explosive Verhalten seinen Grund in den starken Spannungen innerhalb der Träne hat. Forscher um Hillar Aben (TU Tallinn) haben die Tropfen nun unter ein Polarisationsmessgerät gelegt und so die Lichtbrechung eruiert, was erstmals genaue Rückschlüsse auf die enorme Spannung im Glas zuließ.

Wie die Forscher im Fachblatt "Applied Physics Letters" schreiben, sei dieser Druck um bis zu 7000 Mal höher als der Luftdruck, was vor allem daran liegt, dass abkühlendes Glas von außen nach innen härtet und durch das Schrumpfen einen enormen Druck im Inneren aufbaut. Das macht die Köpfchen aus Glas auf der einen Seite extrem stabil. Auf der anderen Seite reicht der Schwanz der Tränen ins Innere des Kopfes und führt da zur erstaunlichen Explosionskraft. Quod erat demonstrandum. (tasch, 3.6.2017)

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