Thomas Halle spielt in "Ich bereue nichts" von Jan-Christoph Gockel Eduard Snowden.

Foto: Felix Grünschloß

Soll man sich im Biedermeiersinn vor den Schrecken der Zeit zurückziehen oder gerade jetzt laut auf die Straße gehen? Das vom Grazer Schauspielhaus und uniT entwickelte sechstägige Dramatikerinnenfestival hat rund um diese Frage ein spannendes Programm entwickelt.

Neben Aufführungen, Workshops, Lesungen und Diskussionen wird auch der Retzhofer Dramapreis im Zuge des Festivals verliehen. Fast 50 Veranstaltungen werden an 14 Orten gezeigt: Neben Theaterhäusern werden ein Gefängnis, eine Kirche und die Murinsel – als Interpretationszentrum samt Hörspielraum – bespielt. Es gibt private Lesungen, die als "Literarische Nahversorgung" in 50 Wohnzimmern in der Steiermark stattfinden, und 14 Installationen, die 14 für den Retzhofer Literaturpreis nominierte Stücke kurz präsentieren werden. Letzteres passiert in 14 Wohnwagen, die auf der Strecke zwischen dem Mariahilferplatz und dem Schauspielhaus parken.

Von den Gastspielen dürfte das NSA-Projekt Ich bereue nichts vom Badischen Staatstheater Karlsruhe ein Highlight sein, für das unter anderem Jan-Christoph Gockel verantwortlich zeichnet. Er begeisterte Graz zuletzt mit Merlin vom kürzlich verstorbenen Tankred Dorst.

Das Maxim-Gorki-Theater ist mit dem nationalistischen Horrorszenario Mephistoland von András Dömötör, Kornél Laboda und Albert Benedek vertreten.

Für die Diskursschiene sollte man sich vor allem den 10. Juni freihalten. Da gibt es ganztägig Podiumsdiskussionen über Heimatbegriffe, konzipiert wurde My Own Private Nation oder Bauen wir uns Heimat! vom Autor Thomas Arzt.

Erstmals wird auch das Ernst-Binder-Stipendium verliehen. Die Schauspielerin Mercy Dorcas Otieno erhält es am 7. Juni im Rahmen der Eröffnung des Festivals im Redoutensaal. Sie arbeitete schon als ganz junge Schauspielerin mit dem Autor und Regisseur Binder, der vor wenigen Monaten völlig überraschend verstarb. (cms, 3.6.2017)