Die britische Premierministerin verteidigte ihren Meinungsumschwung hin zu vorgezogenen Wahlen.

Foto: APA/AFP/POOL/STEFAN ROUSSEAU

Ihr Herausforderer Jeremy Corbyn wurde vom Publikum im nordenglischen York mit großem Jubel begrüßt.

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London – Mit einem für sie ungewöhnlichen Kraftausdruck hat die britische Premierministerin Theresa May ihre Entscheidung verteidigt, die Parlamentswahl überraschend um drei Jahre vorzuziehen. "Ich hätte diesen Job noch ein paar Jahre machen und keine Wahl anberaumen können. Aber ich hatte die Eier dazu ('I had the balls')", sagte May am Freitagabend bei einer live übertragenen Fernsehdebatte mit Zuschauern im nordenglischen York.

Mitglieder aus dem Publikum hatten der konservativen Regierungschefin vorgeworfen, mit der vorgezogenen Parlamentswahl am 8. Juni ihr wiederholtes Versprechen gebrochen zu haben. Nach ihrem Amtsantritt in Folge des Brexit-Votums hatte May stets Wahlen vor Ablauf des derzeitigen Parlamentsmandats im Jahr 2020 ausgeschlossen.

Kein direktes Duell

Ihren Meinungsumschwung begründete May im April mit dem politischen Streit über den angekündigten Austritt Großbritanniens aus der EU. Ihre Kritiker warfen ihr jedoch vor, sie wolle von dem erheblichen Vorsprung profitieren, die sie laut Meinungsumfragen vor der oppositionellen Labour Party hatte, um sich ein starkes Wählermandat für die Brexit-Verhandlungen zu sichern. Nach jüngsten Meinungsumfragen liegt der Vorsprung ihrer Partei inzwischen allerdings deutlich unter den damals vorhergesagten 20 Prozentpunkten.

May und ihr Herausforderer Jeremy Corbyn traten hintereinander auf: Die Premierministerin hatte den Vortritt, erst danach kam Labour-Chef Corbin an die Reihe. Ein direktes Duell hatte May abgelehnt.

Die Vorsitzenden der beiden großen Parteien haben ihre Qualitäten als Brexit-Verhandler betont. "Meine Partei ist die einzige Partei, die den Willen des britischen Volkes respektiert", sagte May. Sie werde in Brüssel die besten Bedingungen für ihr Land nach dem Austritt aus der Union erstreiten. Gute Handelsbeziehungen seien auch im Interesse der verbleibenden EU-Staaten, so May.

Corbyn: Auf Kompromisse setzen

Anders als May wurde ihr Gegner Jeremy Corbyn vom Publikum im nordenglischen York mit großem Jubel begrüßt. Der Labour-Chef betonte, dass auch seine Partei ein "großartiges Team von erfahrenen Leuten" für die Brexit-Verhandlungen habe. Er werde aber nicht auf Konfrontation setzen, sondern auf Kompromisse. So wolle er etwa die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien sofort sichern. Zudem wolle seine Partei auch "gegen das furchtbare Ausmaß der Ungleichheit in diesem Land" vorgehen. Er wolle ein Vereinigtes Königreich, das weder durch Armut noch durch Rassismus gespalten sei, so Corbyn.

Weniger als eine Woche vor der Wahl lagen die Tories in den Umfragen zuletzt mit 44 bis 45 Prozent der Stimmen noch immer klar vor Labour mit 36 bis 40 Prozent. Der Abstand zwischen den beiden Parteien verringerte sich in den letzten Tagen aber zunehmend. Im Mai war Labour zeitweise sogar unter der 30-Prozent-Marke gelegen. (APA, 3.6.2017)