Der Verein Wienerwald Trails verwirklicht am Stadtrand ein Paradies für Mountainbiker.

Foto: Wienerwald Trails

Die Trails im Wienerwald sind für Anfänger wie Fortgeschrittene geeignet.

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Wien – Zugegeben, für einen gelernten Tiroler könnten die Begriffe Wien und Mountainbiken nicht widersprüchlicher klingen. Dementsprechend war die Erwartungshaltung. Da werden wohl ein paar verzweifelte Großstädter mangels Bergzugang irgendwelche G'stätten an der Peripherie zum Radeln nutzen. Biken zwischen Südosttangente und Industriebrachen? Seisdrum, da ohnehin ein Hauptstadtbesuch anstand, wurde dieser mit einem ausgiebigen Testride verbunden.

Trailcenter nach britischem Vorbild

Der Obmann des Vereins Wienerwald Trails, Alexander Arpaci, erklärte sich bereit, den Guide zu spielen. Als Treffpunkt wurde die Hohe-Wand-Wiese vereinbart. Dort, wo man bis zuletzt vergeblich versucht hatte, im Winter einen Skibetrieb für Wien aufrecht zu erhalten, haben nun die Mountainbiker das Ruder übernommen. Arpaci, Horst Marterbauer und weitere Vereinsmitglieder haben zu diesem Zweck eine eigene Firma gegründet, mit der sie die Anlage, die neben Gastronomie auch eine Sommerrodelbahn umfasst, professionell betreiben. "Die Rodelbahn gehört zur Sportstätte und wir haben sie mit übernommen. Aber dass ich mal eine Sommerrodelbahn betreibe, damit hätte ich nicht gerechnet", sagt Arpaci.

Die Fun-Line im Wienerwald bietet Anfängern wie Fortgeschrittenen Spaß und Flow.
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Die Vision, die Arpaci und seine Mitstreiter antreibt, nimmt Anleihen am britischen Modell der Trailcenter. Ähnlich wie im Wiener Umland passiert der florierende Mountainbikesport auf der Insel großteils im hügeligen Terrain, ohne Aufstiegshilfen. Ein solches Trailcenter sorgt für die Errichtung sowie Pflege der Strecken und stellt die nötige Hardware in Form von Bikes zur Verfügung. Auch Guides und Fahrtechnik-Kurse umfasst das Angebot. Allein mit ehrenamtlichem Engagement ist das auf Dauer nicht schaffbar, daher die Firmengründung. Daneben laufen Gespräche mit der Stadt Wien, Wienerwald-Anrainergemeinden in Niederösterreich, Wienerwald Tourismus und den Grundeigentümern, um das Konzept mit deren Unterstützung umzusetzen.

Gemeinsame Nutzung des Naturraums

Schließlich profitiert auch der lokale Tourismus davon. Denn mit der Kanalisierung der Mountainbiker auf eigens für sie errichtete und ausgewiesene Strecken steigt nicht nur die Attraktivität des Gebietes für Freizeitsportler, sondern es werden auch Nutzungskonflikte verhindert. Genau die haben das Miteinander der Erholungssuchenden im Wienerwald bisher erschwert. Denn gefahren wurde hier schon immer, nur eben bislang auf illegalen Trails, die auch Wanderer nutzen. Daher suchen Arpaci und sein Team in enger Abstimmung mit den Eigentümern ständig nach neuen Routen, die sie nutzen können, um Radfahrer und Spaziergänger zu trennen.

Für den zweitägigen Testride stellt Rene Wirnsberger vom Bikestore im 23. Bezirk, der künftig auch den Shop an der Hohe-Wand-Wiese betreiben wird, ein nagelneues Scott Spark mit 29 Zoll-Bereifung zur Verfügung. Wie sich herausstellen wird, der perfekte fahrbare Untersatz, um die sanften Hügel und flowigen Trails rund um Wien zu erkunden. Der erste gemütliche Uphill durch den atemberaubend schönen Wienerwald, der am Ende einen eben solchen Ausblick auf die Stadt bietet, führt zum gut anderthalb Kilometer langen Wurzel-Trail. Er ist einer der Shared Trails, das heißt dieser Weg wird von Wanderern und Bikern genutzt. Daher gilt es, vorausschauend zu fahren, um jederzeit anhalten zu können. Über knapp 200 Höhenmeter sorgen spaßige Wurzelteppiche für eine kurzweilige Abfahrt. Die großen Laufräder überzeugen am teils ruppigen Terrain und schlucken jedes Hindernis.

Der Wurzel-Trail wurde als einer von bislang acht Shared Trails konzipiert. Wanderer und Biker nutzen ihn gleichermaßen.
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Insgesamt hat der Verein Wienerwald Trails bislang acht Shared Trails umgesetzt. Auf diesen Wegen ist die gegenseitige Rücksichtnahme besonders wichtig. Denn neben Wanderern kann es durchaus auch zu Gegenverkehr kommen. Etwa am Roan-Trail, der nur 60 Höhenmeter überwindet, dafür aber in beide Richtungen befahrbar ist. Zu diesem Zweck hat der Verein eine Trail-Etikette ausgearbeitet, an die sich alle Nutzer halten sollten. Neben der Rücksicht auf andere steht der Schutz der Natur im Vordergrund. Denn der Wienerwald ist ein Biosphärenpark in dem in den Kernzonen keine forstwirtschaftliche Nutzung stattfindet. Daher rührt auch der Urwaldcharakter des von Laubhölzern dominierten Gebietes. Biker sind angehalten, die für sie ausgewiesenen Strecken nicht zu verlassen und Park-Geballer mit blockierenden Reifen zu unterlassen.

Trailpark Weidlingbach

Neben den Shared Trails hat der Verein in Weidlingbach den ersten Trailpark errichtet. Nach kurzem Aufstieg – man kann hier entweder gemütlich den Forstweg hochpedalieren oder die Schiebestrecke über den Wanderweg nutzen – stehen zwei Abfahrten zur Verfügung. Die Fun- und die Flow-Line sind ausgewiesene Bikestrecken, das heißt sie sind für Wanderer gesperrt. Es würde für Fußgänger auch keinen Sinn machen, die den Hügel hinuntermäandernden Strecken zu benutzen, die mit Anliegerkurven und Sprüngen gespickt sind. Die Flow-Line ist 1,8 Kilometer lang und weist auf rund 170 Höhenmetern 69 gebaute Anlieger auf. Der Name ist hier Programm, die Shaper haben ganze Arbeit geleistet. Dank des lehmigen Bodens kommen die Anlieger ohne stützende Holzkonstruktion aus und sind dennoch stabil. Der Trail ist so gebaut, dass man ihn schnell und flowig fahren kann. Aber auch Anfänger und Kinder kommen auf ihre Kosten. Wer sich erstmals abseits eines Forstweges versuchen will, ist hier bestens bedient.

Links von der Flow-Line startet die Fun-Line. Sie ist für Fortgeschrittene zu empfehlen, die erste Sprünge probieren wollen und bereits zügig über den Trail rauschen. Tables, Step Downs, Hip Jumps und etwas größere Anlieger lassen höhere Geschwindigkeiten und auch Airtime zu. Wer will, kann auf den Tables einige Meter Fluggefühl erleben. Wer es gern langsamer angeht, überrollt die Sprünge ganz einfach. Nur ein kleiner Double in der Mitte des Trails erfordert die Entscheidung, ob Chickenline oder Kicker. Highlight sind die beiden Tables ganz am Ende. Es empfiehlt sich, den Schwung aus der langen Rechtskurve mitzunehmen, um sie sauber zu überspringen. Das 29er Fully erwies sich auf der Fun-Line übrigens als ausgesprochen wendig und flugtauglich.

Selbst Profis wie Clemens Kaudela haben auf den Wienerwaldtrails ihren Spaß.
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Derzeit entsteht auf der Hohe-Wand-Wiese ein zweiter Trailpark mit insgesamt vier Strecken. Eine davon ist Uphillern vorbehalten. Freuen darf man sich auch auf die neue Flow-Line, die dort in Bau ist. Mit noch besseren Anliegern verspricht sie Fahrspaß ohne Ende. Die Eröffnung ist für 1. Juli 2017 geplant. Wer seine Kinder mit dem Fahrgefühl auf zwei Rädern vertraut machen will, der kann die Kleinen im Skills Center an der Hohe-Wand-Wiese herumtollen lassen. Neben einem modularen Pumptrack steht ein Übungsparcours mit Zauberteppich-Zubringer parat. Die Eltern genießen derweil Kaffee und Kuchen auf der Sonnenterrasse.

Bestehendes Wegenetz nicht mehr zeitgemäß

Kritiker monieren, dass es im Wienerwald mit knapp 1000 Kilometern offizieller Mountainbikerouten mehr als genug Angebot für Radler gäbe. Jedoch ist anzumerken, dass diese Routen fast ausschließlich über Asphalt- und Forststraßen führen. Der Mountainbikesport passiert aber längst abseits solcher Wege, nämlich auf Singletrails. Wer Radfahrern weiter nur Forststraßen erlaubt, spitzt Nutzungskonflikte zu. Denn genau auf diesen bewegt sich auch die große Masse an Wanderern und Spaziergängern. Radfahrer sind auf Forststraßen aber viel schneller unterwegs als Fußgänger, was für beide Seiten von Nachteil ist. Singletrails wiederum sind für Fußgänger selten interessant, weil in der Regel viel zu steil und unwegsam. Zudem fährt man im Gelände bedeutend langsamer als auf einer Forststraße. Wodurch auch Shared Trails problemlos möglich sind. Mit der Kanalisierung der unterschiedlichen Nutzergruppen, wie sie im Wienerwald passiert, ist daher allen gedient.

Nach zwei Tagen und etwas über 2100 Höhenmetern müssen die Tiroler Vorurteile gegenüber den Wienerwald Trails revidiert werden. Das Konzept, das hier umgesetzt wird, gleicht einem Leuchtturm. Viele Regionen Österreichs, wo nicht der Tourismus hinter dem Ausbau der Bike-Infrastruktur steht, könnten Anleihen daran nehmen. Was es braucht, ist eine aktive Szene, die sich einbringt und bei Bedarf Verantwortung übernimmt. Aber auch die Strecken selbst halten jedem Vergleich stand. 200 Höhenmeter genügen vollends, um Flow zu erleben. Zweiflern sei die Fitzsimmons Zone in Whistler empfohlen, die nicht viel mehr aufweist. Wobei Wien zusätzlich mit der nahen Stadt punktet. Es hat tatsächlich seinen ganz eigenen Charme, nach einem Tag auf den Trails gemütlich inmitten einer Millionenstadt auszurollen und das wohlverdiente Bier in einem Gastgarten im Zentrum zu genießen. (6.6.2017; Steffen Arora)