Am Dienstag zu Mittag gab es eine landesweite Schweigeminute für die Opfer der Anschläge vom Samstag.

AFP/Tallis

Bild nicht mehr verfügbar.

Britische Police-Officers gedenken der Ermordeten.

Reuters/Djurica

Er gehörte zu den Anhängern eines bekannten Hasspredigers, kam in einer TV-Doku über Jihadisten prominent vor und wurde wegen Hetzreden aus seiner lokalen Moschee rausgeworfen. Nachbarn und Bekannte hatten mehrfach die Polizei vor ihm gewarnt. Trotzdem konnte Khuram Shazad Butt am Wochenende als einer von drei Attentätern in der Londoner Innenstadt Menschen ermorden.

In den Tagen seit dem jüngsten Attentat steht von den drei Attentätern vor allem Butt exemplarisch für die Versäumnisse der britischen Sicherheitsbehörden im Fokus. Großbritanniens Anti-Terror-Chef Mark Rowley teilte am Dienstag mit, der Mann sei überprüft worden. Aber die Behörden hätten keine Belege dafür gefunden, dass er einen Anschlag plane. Daher sei der in Pakistan geborene Brite, der dem Inlandsgeheimdienst MI5 und der Polizei bekannt war, nachrangig eingestuft worden.

Dritter Attentäter identifiziert

Aktuell wurde am Dienstag auch der dritte Angreifer identifiziert, ein 22-Jähriger mit marokkanischem Vater und italienischer Mutter namens Youssef Zaghba. Er stand zwar in Italien auf der Liste gefährlicher Personen, seitdem er im März 2016 von Bologna aus in die Türkei fliegen wollte, um von dort Syrien zu erreichen. In Großbritannien sei er laut Polizei nicht auf dem Terrorismus-Radar gewesen – die italienische Zeitung "Corriere della Sera" berichtete allerdings, die italienischen Behörden hätten ihre britischen Kollegen über Zaghbas Einreisepläne in Syrien informiert. Zuletzt arbeitete er in einem Londoner Restaurant und hatte weiterhin Kontakt zu seiner Mutter in Bologna.

Arbeit für Londoner U-Bahn

Butt ging ebenfalls einer regulären Arbeit nach, pikanterweise von Mai bis Oktober 2016 auch für die Londoner U-Bahn. Die Zeitung "The Times" berichtete am Dienstag, Butt habe Verbindungen zu einem der Attentäter des Londoner Terroranschlags vom 7. Juli 2005 gehabt, bei dem dutzende Menschen getötet worden waren. Den zweiten mutmaßlichen Attentäter, den 30-jährigen Rachid Redouane, hatte die Polizei offenbar noch nie im Fokus.

Dass den Sicherheitsbehörden zum dritten Mal in Folge die Terrormörder vorab bekannt waren, bestimmt massiv den Endspurt des Wahlkampfs in Großbritannien. Ermittlungsfortschritte der Polizei werden genau verfolgt. Premierministerin Theresa May wird auch vorgeworfen, mit Personalkürzungen bei der Polizei fahrlässig gehandelt zu haben. Sie hatte in ihrer früheren Funktion als Innenministerin (2010 bis 2016) die Reduzierung um 20.000 Stellen verantwortet. May wehrte sich mit dem Hinweis, dass für den Antiterrorkampf ausreichend Mittel bereitstünden. Dieser Bereich sei von Einsparungen ausgenommen worden. In Umfragen schrumpfte ihr Rückhalt im Volk zuletzt trotzdem deutlich.

Rücktrittsauforderungen an May

Labour-Chef Jeremy Corbyn sieht in den Personalkürzungen naturgemäß sogar einen Rücktrittsgrund. Die Premierministerin konterte mit dem Hinweis, dass ihr Widersacher Corbyn selbst politische Versäumnisse im Kampf gegen den Terror zu verantworten habe. So wurde Corbyn dafür kritisiert, dass er gegen Antiterrorgesetze gestimmt und Zweifel an gezielten Todesschüssen auf Angreifer geäußert hatte.

"Warum haben sie den Jihadisten aus dem Fernsehen nicht gestoppt?", titelte die Boulevard-Zeitung "The Sun" am Dienstag. Der "Daily Mirror" schrieb: "Wie zur Hölle konnte er ihnen durch die Lappen gehen? Der konservative "Daily Telegraph" schrieb am Dienstag: "Während wir stolz darauf sind, eine offene und tolerante Gesellschaft zu sein, ist es schon erstaunlich, dass Leute, die solch eine Gefahr für Leib und Leben darstellen, in der Lage sind, ihre kranke Ideologie ohne Konsequenzen im Fernsehen auszubreiten."

Außenminister Boris Johnson von den konservativen Tories nannte es am Dienstag in der BBC "verständlich", dass die Bevölkerung solche Fragen stelle. Er betonte aber, die Verantwortung für den Anschlag liege bei den Terroristen. Ähnlich äußerte sich der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan. Er warnte aber auch vor den Folgen neuer Kürzungen bei der Polizei.

Landesweite Gedenkminute

Am Dienstag fand um 11 Uhr Ortszeit (12 Uhr MESZ) eine landesweite Schweigeminute im Gedenken an die sieben Getöteten und dutzenden Verletzten statt. Zudem können sich Londoner Bürger und Besucher in ein Kondolenzbuch eintragen.

Außerdem wurde in London am Dienstag ein 27-jähriger Mann festgenommen. Im Ostlondoner Stadtteil Barking durchsuchten Beamte eine Wohnung. Die mutmaßlichen Terroristen, die bei dem Attentat von Polizisten erschossen worden waren, hatten ebenfalls in Barking gelebt. Zuvor hatten die Behörden sieben Frauen und fünf Männer, die ebenfalls im Zusammenhang mit dem Anschlag festgenommen worden waren, ohne Anklage wieder freigelassen.

Die drei Attentäter waren am Samstagabend auf der London Bridge im Herzen der britischen Hauptstadt mit einem Lieferwagen in eine Menschenmenge gerast, anschließend hatten sie im angrenzenden Ausgehviertel wahllos auf Menschen eingestochen. Sieben Menschen starben, darunter eine Kanadierin, eine Australierin und ein Franzose, 48 weitere wurden verletzt. (red, 6.6.2017)

Alex Broadbent