Bremerhaven – Auf die vielen vermutlich gar nicht bekannte Vergangenheit des Arktischen Ozeans weist das deutsche Alfred-Wegener-Institut (AWI) hin: Das heutige Meer war nämlich einmal ein See von gigantischen Ausmaßen, gefüllt mit Süßwasser. Als Beleg dafür dienen Süßwasseralgen-Fossilien aus Tiefseesedimenten, die 2004 bei einer Bohrung nahe dem Nordpol gewonnen wurden.

AWI-Forscher haben nun mit Hilfe eines Klimamodells nachvollzogen, wie der Wandel zum heutigen Zustand vonstatten ging. Die Studie ist in "Nature Communications" erschienen.

Megawanne

Noch heute strömen jährlich etwa 3.300 Kubikkilometer Süßwasser in den Arktischen Ozean. Das entspreche zehn Prozent der Wassermenge, die alle Flüsse der Welt zusammengenommen pro Jahr in die Ozeane bringen, berichtet das AWI. Im warmen und feuchten Klima des Eozäns vor etwa 56 bis 34 Millionen Jahre sei dieser Zufluss vermutlich noch deutlich größer gewesen.

Damals strömten die Wassermengen allerdings in einem isolierten Gewässer zusammen: Landbrücken verhinderten den Wasseraustausch mit den damaligen Ozeanen. Erst durch das Verschwinden der Landbrücke zwischen Grönland und Schottland konnte eine erste Ozeanpassage entstehen, die die Arktis mit dem Nordatlantik verband und Salzwasser in den See strömen ließ.

Schwellwert 50 Meter

AWI-Forscher um Studienerstautor Michael Stärz haben die geologischen Veränderungen in einem Klimamodell berücksichtigt und den Einfluss auf das Klima simuliert. Denn die Entstehung von Ozeanpassagen spielt eine entscheidende Rolle für die globale Klimageschichte. Sie führen zu einer Änderung der ozeanischen Wärmetransporte zwischen den mittleren und polaren Breitengraden.

In ihren Simulationen haben die Forscher die Landbrücke bis zu einer Tiefe von 200 Meter schrittweise abgesenkt. "Dieser tektonische Absenkungsprozess dauerte in der Realität mehrere Millionen Jahre", sagt Stärz. "Interessanterweise traten die größten Veränderungen im Zirkulationsmuster und den Eigenschaften des Arktischen Ozeans jedoch erst auf, als die Absenkung der Landbrücke Tiefen unterhalb von etwa 50 Metern erreichte."

Diese Tiefe entspricht der Mächtigkeit der obersten winddurchmischten Wasserschicht. Sie legt fest, in welcher Tiefe das relativ leichte arktische Oberflächenwasser aufhört und die darunterliegende Schicht des einströmenden Nordatlantikwassers beginnt. "Erst wenn der Ozeanrücken unterhalb der winddurchmischten Schicht liegt, kann das schwerere salzhaltige Nordatlantikwasser relativ ungestört über die Passage in die Arktis einströmen", erklärt Stärz. Heute liegt die einstige Landbrücke in etwa 500 Metern Tiefe. Island ist der einzige Teil, der noch immer über dem Wasser liegt. (red, 6. 6. 2017)