
Die Champagnerlaune wird Richard Gere und Co im Kriminalfilm "The Dinner" baldigst vergehen: Ans Tageslicht kommt ein dunkles Geheimnis der betuchten Familien.
Wien – "Time is on our side." Ein Spiel auf Zeit soll hier gespielt werden. Aber wie bei fast jedem Spiel gibt es auch im teuersten Nobelrestaurant der Stadt jemanden, der verlieren wird. Am Ende des Abends könnten das die 16-jährigen Söhne jener beiden Paare sein, die sich hier eingefunden haben.
Stan Lohman (Richard Gere) und seine Frau Katelyn (Rebecca Hall) kommen mit Luxuslimousine, Stan obendrein mit privater Sekretärin, wie sich das für einen Kongressabgeordneten gehört. Sein Bruder Paul (Steve Coogan), ein Geschichtelehrer, und dessen Frau Claire (Laura Linney) gehen zu Fuß. Die Fassade des Restaurants erstrahlt in grellem Rot, jene, die das Quartett versucht aufrechtzuerhalten, beginnt bereits bei der Vorspeise zu bröckeln.
Denn der Nachwuchs hat ein schreckliches Verbrechen begangen, und die Frage, die sich stellt, ist die nach der möglichen Vertuschung – und welche Folgen eine solche nach sich zieht. Für die Söhne, aber auch für das ohnehin brüchige Familiensystem.
The Dinner, eine freie Adaption des bereits mehrfach verfilmten Romans Angerichtet des niederländischen Autors Herman Koch, hält mit dem Familiengeheimnis jedoch nicht lange hinterm Berg. Was den Regisseur und vor allem versierten Autor Oren Moverman (The Messenger, Rampart) viel mehr interessiert als die sukzessive Enthüllung, sind die unausgesprochenen Konflikte zwischen den Brüdern und den Paaren.
Immer wieder durchbricht die Vergangenheit mittels Rückblenden – Szenen der Trauer, Krankheit, Selbstaufgabe – den geordneten Ablauf des Dinners und dessen schale Etikette. Wo Filme wie Das Fest als Vorbild hätten dienen können, schlägt Moverman allerdings einen anderen Weg ein: Paul, besessen von der Schlacht von Gettysburg, stellt sich als eigentlicher Protagonist und Sollbruchstelle des Abends heraus, dessen Sarkasmus gegenüber der Gegenwart zunehmend als Schutzschild erkennbar wird.
Gesellschaftskritik
Derart verknüpft The Dinner das persönliche und traumatische Schicksal des Historikers – der auch mittels Off-Kommentar als Instanz fungiert – mit einer verrohten Gesellschaft, die ein solches Verbrechen erst zugelassen hat. The Dinner möchte weniger psychologisches Drama sein, als gesellschaftskritische Introspektion. Was in der Keimzelle von Upperclass-Familien heranwächst, steht diesen jedenfalls nicht einmal beim mehrgängigen Menü zu Gesichte. The Dinner erzählt vom bitteren Nachgeschmack. (Michael Pekler, 6.6.2017)