"Es gibt keinen Planeten Covfefe": Protest gegen Trumps Entscheidung zum Klimaschutzabkommen Anfang Juni vor dem Weißen Haus.

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Von "Klimakiller Trump" war nach dem angekündigten Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 die Rede. Ein unglaublich engstirniger Blick auf den Planten wird ihm im STANDARD attestiert. Der Rückzug (...) offenbart eine beispiellose Ignoranz gegenüber der größten Krise der Menschheit, erklärt der Klima- und Energiesprecher von Global 2000. Genauso möchte Trump gesehen werden: als Rebell, der sich keinem Meinungsdiktat beugt.

Überschätztes Paris-Abkommen

Die heftigen Reaktionen auf Trumps Entscheidung verkennen nicht nur den Einfluss des US-Präsidenten. So wäre ein Ausstieg aus dem Klimaabkommen erst nach der nächsten US-Wahl, die über den Ausstieg mitentscheiden wird, vollzogen.

Sie verkennen auch die Bedeutung des Pariser Abkommens. Dieses wurde in erster Linie von den Delegierten in Paris selbst als historischer Wendepunkt im Klimaschutz gefeiert. Zwar war die Pragmatik von Paris nach dem Debakel der Kopenhagener Konferenz, als das erhoffte verpflichtende Klimaziel aufgegeben wurde, ein Fortschritt. Dennoch: Die im Pariser Abkommen erklärten nationalen Ziele zur (CO2-)Emissionsreduktion sind freiwillig, es gibt keine Möglichkeit, Staaten zur Verantwortung zu ziehen.

Weder Trumps Einfluss in Washington noch die Leistung der Delegierten in Paris sollen damit in Abrede gestellt werden: Trump markiert eine Zeitenwende nicht nur für US-Amerikaner; Paris hat eine außergewöhnliche zeremonielle und geopolitische Bedeutung – es wurden Allianzen zwischen Ländern gebildet, die im Klimaschutz noch vor wenigen Jahren unmöglich erschienen. Aus mindestens zwei Gründen muss man den "Klimakiller" Trump aber relativieren.

Erstens: Die Zahlen

Der geplante Ausstieg aus dem Klimaabkommen würde aus heutiger Sicht das Pariser Ziel, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu beschränken, natürlich erschweren. Die Zahlen zeigen aber, dass dies auch mit den freiwilligen Emissionsreduktionen aller 195 beteiligten Länder unmöglich wäre. Mit den freiwilligen staatlichen Reduktionszielen der USA würde sich die Temperatur im Jahr 2100 um 3,3 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau, ohne die USA um 3,6 Grad, erhöhen. 0,3 Grad sind nicht wenig, liegen aber innerhalb der bekannten natürlichen klimatischen Schwankungsbreite.

Zweitens: Wo Klimaschutz betrieben wird

Tatsächlich findet man die meisten Bemühungen zum Klimaschutz auch abseits oder am Rande nationalstaatlicher und Trump'scher Einflusszonen. In den USA sind es die Bundesstaaten und Städte, die hier schon seit Jahrzehnten eigenständig klimapolitische Maßnahmen treffen. Auch arbeitet die US-Industrie längst an der unaufhaltsamen Energiewende mit und wird sich von Trump ebensowenig beirren lassen wie die Ölindustrie von George Bush senior, der als einer der ersten den Klimawandel in die internationale Politik gebracht hat.

Ein weiteres Beispiel ist die erfolgreiche Divestment-Kampagne, im Zuge derer anfangs nichtstaatliche, später auch staatliche Akteure wie der norwegische Pensionsfonds, ihre Investitionen in den Abbau von Kohle und anderen fossilen Energieträgern einstellten. Auch US-amerikanische Institutionen wie die Harvard-Universität nehmen an der Divestment-Bewegung teil.

Diesen im Sinne einer Emissionsverminderung gezielten Maßnahmen gegenüber stehen dutzende ungezielte, deren Emissionsreduktion kaum abzuschätzen ist. Es ist so zum Beispiel nicht absehbar, wie viel CO2 durch Innovationen wie das fahrerlose Auto eingespart werden können – wenn nicht mehr nach Parkplätzen gesucht werden muss. Auch im Konsumverhalten etwa in der Ernährung – vegane Lebensweise, Regionalität – zeichnen sich Trends ab, die einen positiven Einfluss auf das Klima nehmen können.

Keine Sicherheit beim Klima

Obwohl unzählige Akteure und deren Maßnahmen zum Klimaschutz sich von Paris inspirieren lassen, folgen sie einer eigenen Logik, unabhängig von staatlichen Reduktionszielen. Emissionsreduktion wird als Nebeneffekt von Innovationen aber auch einer Politik passieren, die dieses Ziel gar nicht explizit verfolgt. Die chinesische Ein-Kind-Politik im 20. Jahrhundert ist als kontroverses Beispiel zu nennen.

Ob diese Praktiken genügen, um ein globales Temperaturziel zu erreichen, wird unsicher bleiben. Zu unstabil ist die geopolitische Lage, zu überraschend kommen Innovationen, zu groß ist die Schwankungsbreite der natürlichen Klimafluktuation. Auch das Pariser Abkommen bietet hier nur den Schein von Sicherheit.

Warum aber sollten die Akteure und Bewegungen, die sich dem Klimaschutz verschrieben haben, von Trumps Entscheidung nicht auch angespornt werden und sich verstärkt für gesellschaftliche Veränderung und bessere Lebensbedingungen einsetzen? Die Androhung des Ausstiegs könnte in diesem Sinne eines Tages sogar positiv zu bewerten sein. Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen, fordert der Global-2000-Klima- und Energiesprecher. (Mathis Hampel, 6.6.2017)