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Kathleen Ganley (links) hat eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls angeordnet.

Foto: REUTERS/Topher Seguin

Das Opfer eines sexuellen Übergriffs ist in Kanada während des Prozesses in Handschellen vorgeführt, inhaftiert und dazu gezwungen worden, zusammen mit ihrem Angreifer in einem Bus zum Gericht zu fahren. Nachdem der Fall aus dem Jahr 2015 nun bekannt geworden war, hat die Justizministerin des Bundesstaats Alberta, Kathleen Ganley, zwei Untersuchungen angeordnet, berichtet unter anderem der "Toronto Star".

"Die Fakten des Falls sind verstörend und tragisch und – wenn man die Behandlung des Opfers im System einbezieht – nahezu unbegreiflich", sagte Ganley bei einer Pressekonferenz diese Woche. "Es ist klar, dass sowohl die Methoden als auch Menschen in diesem Fall versagt haben."

Die Ministerin will vor allem herausfinden, ob die erniedrigende Behandlung der Frau damit zu tun hat, dass sie indigener Herkunft und obdachlos war.

In Stiegenhaus überfallen

Insgesamt fünf Nächte musste die 28-Jährige im Jahr 2015 im Untersuchungsgefängnis in Edmonton verbringen, während sie bei der Anhörung gegen ihren Angreifer aussagte.

Die Obdachlose hatte im Juni 2014 in einem Stiegenhaus übernachtet, als sie angegriffen und in die Wohnung des Täters gezogen wurde. Er verletzte sie mehrmals mit einem Messer, als die Frau versuchte zu fliehen.

Richter: "Man schuldet ihr eine Entschuldigung"

Der Richter der Hauptverhandlung, der den Angreifer in mehreren Punkten schuldig sprach, nahm Bezug auf die Behandlung des Opfers. "Sie wurde unter der Falschannahme des 'Fluchtrisikos', und dass sie den Gerichtsabläufen nicht Folge leisten kann, in Untersuchungshaft genommen", schrieb der Richter. "Man schuldet ihr eine Entschuldigung."

Die 28-Jährige wurde sechs Monate nach ihrer Aussage während einer Schießerei getötet. Entschuldigt hat sich nie jemand bei ihr. Justizministerin Ganley hat sich nun zumindest bei ihrer Mutter entschuldigt. (red, 7.6.2017)