Wien – Der Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis geht heuer an Asli Erdogan "für ihre herausragenden Verdienste um die Sicherung der Menschenrechte". Bei der feierlichen Verleihung am Freitag in der Nationalbibliothek wird die türkische Autorin aber fehlen, wie der Historiker Oliver Rathkolb im Namen der zuständigen Stiftung bestätigte. Den Preis werde ihr Anwalt entgegen nehmen.

Die 50-Jährige darf weiterhin nicht aus der Türkei ausreisen. Die türkische Justiz hält die Ausreisesperre aufrecht. Mitte März hatte ein Istanbuler Gericht ihren Antrag abgelehnt, die Sperre aufzuheben, damit sie zur Verleihung mehrerer Auszeichnungen ins Ausland reisen könne. Die bekannte Autorin war im Dezember nach 132 Tagen in Haft freigekommen, muss sich aber weiter wegen des Vorwurfs der "Terrorpropaganda" verantworten.

Umstrittene Inhaftierung

Die Inhaftierung der renommierten Schriftstellerin war international auf breite Kritik gestoßen. Gegen Erdogan wird im Zusammenhang mit der inzwischen geschlossenen Zeitung "Özgür Gündem" ("Freie Agenda") ermittelt und ein umstrittener Prozess geführt. Die Justiz wirft dem Blatt vor, ein Propagandaorgan der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein. Im Fall einer Verurteilung droht der Schriftstellerin lebenslange Haft. Das Verfahren wurde am Dienstag auf den 22. Juni vertagt.

Die Verleihung des Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreises war folgendermaßen begründet worden: Asli Erdogan habe sich Zeit ihres Lebens "aktiv und vorbehaltlos für die Durchsetzung der Menschenrechte eingesetzt." Als Maßstab der Orientierung dienten Erdogan in allen ihren Veröffentlichungen insbesondere die Erscheinungsformen von Leid und Ungerechtigkeit, denen sie immer wieder nachspüre. "Der Bruno Kreisky Menschenrechtspreis an die Schriftstellerin Asli Erdogan ist auch ein Zeichen gegen massive Einschränkungen von Menschenrechten."

Einsatz für Minderheiten

Die Autorin hat sich immer wieder für Minderheiten wie Armenier und Kurden eingesetzt. Sie ist Diabetikerin, laut eigenen Aussagen wurden ihr zuletzt im Gefängnis teilweise die Medikamente verwehrt. Die 1967 in Istanbul geborene Schriftstellerin ist auch international bekannt. Ihre Bücher wurden unter anderem im Züricher Unionsverlag publiziert. Zu ihren Romanen zählt "Die Stadt mit der roten Pelerine".

Mitte Mai wurde Erdogan auch der mit 25.000 Euro dotierte Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis zugesprochen. Die zuständige deutsche Stadt Osnabrück teilte damals mit, Erdogan werde vor allem für ihr Werk "Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch" geehrt. Es enthält Essays, die derzeit in der Türkei nicht erscheinen können.

Erdogan hatte zunächst Informatik und Physik studiert und arbeitete von 1991 bis 1993 als Physikerin am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf. Von 2012 bis 2013 war sie als "writer in exile" Gast im Internationalen Haus der Autorinnen und Autoren Graz. Die Autorin hat keine verwandtschaftlichen Verbindungen zum türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. (APA, 7.6.2017)