Istanbul/Wien – Der Türkei-Korrespondent von Reporter ohne Grenzen, Erol Önderoglu, steht am Donnerstag wieder vor einem Gericht in Istanbul. Bei der Verhandlung wird das Plädoyer der Staatsanwaltschaft erwartet. Sie wirft Önderoglu wegen der Teilnahme an einer Solidaritätsaktion für die prokurdische Zeitung "Özgür Gündem" "Propaganda für eine terroristische Organisation" vor, berichtet Reporter ohne Grenzen. Vertreter der Menschenrechtsorganisation beobachten den Prozess.

Neben ROG-Korrespondent Önderoglu sind die Vorsitzende der Türkischen Menschenrechtsstiftung, Sebnem Korur Fincanci, und der "Cumhuriyet"-Kolumnist Ahmet Nesin angeklagt. Die drei waren wegen der Solidaritätsaktion im Juni 2016 zehn Tage lang in Untersuchungshaft, bevor sie nach internationalen Protesten unter Auflagen freigelassen wurden. Ihnen drohen bis zu vierzehneinhalb Jahre Haft.

Insgesamt hat die türkische Justiz laut Reporter ohne Grenzen 56 Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Intellektuelle angeklagt, die zwischen Mai und August 2016 symbolisch jeweils für einen Tag die Chefredaktion der mittlerweile per Dekret geschlossenen prokurdischen Zeitung "Özgür Gündem" übernommen haben. Gut ein Dutzend der Angeklagten sei bereits zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Am 16. Mai habe ein Gericht zum ersten Mal ein Urteil gegen einen Teilnehmer der Solidaritätsaktion nicht zur Bewährung ausgesetzt: Der Journalist und Menschenrechtsaktivist Murat Celikkan muss für 18 Monate ins Gefängnis, berichtet ROG. (red, 7.6.2017)