Bis man die richtige Schwimmbrille findet, ist der Sommer schon wieder fast vorüber, weiß Stephan Hilpold.

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Stephan Hilpold leitet seit vier Jahren die RONDO- und Lifestyle-Redaktion. Am heurigen 1. Mai schwamm er einen Kilometer. Dann wurde es auch ihm zu kalt.

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Der Sommer beginnt am 1. Mai um 9.00 Uhr – jedes Jahr aufs Neue. Mit dem Ende ist es dagegen so eine Sache. Manchmal ist es der 14., manchmal auch erst der 16. September um 19.00 Uhr. Heuer ist es sogar erst der 18. Dann schließt das Stadionbad im Wiener Prater seine Drehkreuze, und das siebeneinhalbmonatige Warten beginnt.

Bis der Tag anbricht, an dem man aus dem Bett springt, seine Badehose aus der Schublade kramt, nach dem Pull-Buoy sucht, die Paddles und das Schwimmbrett einpackt und plötzlich feststellt, dass die Schwimmbrille, die man im vergangenen Jahr nigelnagelneu gekauft hat, trüb und zerkratzt ist. Jedes Jahr ist das so. Manchmal wölben sich auch die Plastikränder nach innen, oder das Elastikband gibt unangenehm nach.

Eine Katastrophe. Ans Schwimmen ist nicht zu denken. Es sei denn, man leert nach jeder Länge wieder das Chlorwasser aus den Gläsern und nimmt in Kauf, dass man einen halben Tag mit roten Augen durch die Gegend rennt. Na ja, wird auch heuer so sein, war im vergangenen Jahr auch nicht anders – und vor zwei Jahren ebenso.

Der Freude am Sommerbeginn kann die alljährliche Schwimmbrillensituation nichts anhaben. Genauso wenig wie das Wetter, das am ersten Mai vorzugsweise mit starken Böen und ein paar einsamen Tropfen aufwartet. Die Genossen auf dem Rathausplatz können ein Lied davon singen.

Statt in einer durchsichtigen Regenpelerine über einer dicken Fließjacke steht man selbst in einer knappen Speedo am Beckenrand, bibbernd und überlegend, ob man sich nicht ein anderes Hobby zulegen könnte. Eines, bei dem man sich in ein paar wärmende Schichten hüllen kann – und definitiv keine Schwimmbrille braucht – keine unangenehm drückende, Wasser einlassende und rote Druckstellen verursachende S-C-H-W-I-M-M-B-R-I-L-L-E.

Beckenrandsprünge

Früher hat man sie auch nicht gebraucht. Und damit sind jetzt nicht die Beckenrandsprünge der eigenen Jugend gemeint. Früher, das war vor 1968, als es Schwimmbrillen für Sportschwimmer schlichtweg noch nicht gab. Und selbst als sie dann irgendwann auf den Markt kamen, durften sie nicht benutzt werden – zumindest bei Wettkämpfen.

Schwimmbrillen galten als "unerlaubte Trainingshilfsmittel". Als das Reglement geändert wurde, schwammen anfangs nur sehr wenige Sportler mit ihnen im Wettkampf. Vielleicht kannten sie die Tricks nicht, die vor Beschlagen schützen. Spucke, sagt der deutsche Schriftsteller John von Düffel – der ein ganzes Buch über das Schwimmen geschrieben hat –, und anschließend mit Wasser ausspülen. Vergessen Sie die Anti-Fog-Beschichtungen!

Nach mehreren Dutzend Schwimmbrillen, die allesamt versprachen, nie wieder zu beschlagen, ist man geneigt, dem Mann recht zu geben. Er hat ja auch viel Kluges zu sagen. "Das Einzige, was man zum Schwimmen wirklich braucht, ist Wasser und ein bisschen Sommer", schreibt er.

Keine Rede von bis zu den Knie reichenden Badeanzügen, die einen noch ein paar Hundertstel schneller machen, oder aerodynamisch geformten Schwimmbrillen, mit denen man sowohl die Bahn als auch seine Mitschwimmer im Blick hat. Funktioniert alles nur in der Theorie. Am 1. Mai ist dann sowieso alles wieder anders. (Stephan Hilpold, RONDO, 10.6.2017)