Jessas, was macht sie da, die Helena? Im Festspielhaus St. Pölten lässt Barrie Kosky einen Offenbach tanzen.

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Im Landestheater blickt Alia Luque neu auf Georg Büchner.

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St. Pölten – In diese Sommerferien geht es mit guten Aussichten auf einen Herbst, der St. Pölten wieder zum Ziel von Freunden der darstellenden Künste machen wird. So viel steht schon jetzt fest, da sich die aktuelle Saison ihrem Ende zuneigt.

Auf die Wendung "heißer Herbst" wird hier mit Absicht verzichtet, nicht aber auf das Bewusstsein, dass die Beschäftigung mit der Vielfalt von Kunst eine Weitsicht geben kann, die es braucht, wenn in ernsten Zeiten mit komplexen Herausforderungen umgegangen werden muss.

Dabei nützt auch Ablenkung, sofern sie es schafft, ihrem Publikum Augen, Geist und Herzen zu öffnen. Das Festspielhaus St. Pölten zum Beispiel wird seinen Herbstauftakt mit Jacques Offenbachs spektakulärer Opéra bouffe Die schöne Helena der Komischen Oper Berlin feiern. Regie führt deren Intendant Barrie Kosky, der sein niederösterreichisches Publikum schon vor zwei Jahren mit einer bunten Zauberflöte beglückt hat.

Die Geschichte "Alter Gatte, junger Lover"

Kosky, ein gebürtiger Australier, hat zwischen 2001 und 2005 als Koleiter des Wiener Schauspielhauses einige Österreicherfahrungen gesammelt. Damals führte er Regie bei Medea, inszenierte die Poppea – und Hoffmanns Erzählungen von Offenbach. Heute ist der rastlose Musikfan ein Star in der Opernregieszene.

Die herrlich schöne Helena kommt unter Kosky mit einem Wirbelsturm aus skurrilem Nonsens angetanzt, der sich aus der Geschichte "alter Gatte, junger Lover, erwischt in flagranti, Flucht des Paris und Entführung der Holden" ergibt. Für das musikalische Feuerwerk dazu sorgt das Tonkünstlerorchester Niederösterreich unter Stefan Soltesz.

Zu den ernsten Konsequenzen von Helenas Entführung zählen die Trojanischen Kriege. Der Bürgerkrieg infolge der Französischen Revolution ist der Hintergrund der Herbst-Eröffnungsproduktion des Landestheaters Niederösterreich: Dantons Tod von Georg Büchner in der Inszenierung der Spanierin Alia Luque.

Hier spricht mit Danton der Herbst der durch Robespierres Terror entführten Revolution, die am Ende ihre Kinder frisst: "Ja, Camille, morgen sind wir durchgelaufne Schuhe, die man der Bettlerin Erde in den Schoß wirft."

Hehre Zusammenhänge

Landestheater-Intendantin Marie Rötzer stellt ihre zweite Saison im Großen Haus und der Theaterwerkstatt in die Zusammenhänge von "Menschlichkeit, Toleranz und demokratischen Werten".

Brigitte Fürle, die im Festspielhaus ihre fünfte spartenplurale Saison startet, setzt auf den "Dialog mit der Welt". Die Programme beider Häuser sind nach diesen Prinzipien gestaltet und ergänzen einander durchaus.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des St. Pöltener Kulturlebens ist die Bühne im Hof, jetzt mit neuem Eingang und im Herbst gleich mit dem Blues zur Stelle: Zu Gast werden Hans Theessink und Terry Evans sein, die zu einem "Transatlantic Blues Summit" zusammenfinden. Zu erleben gibt es darüber hinaus in St. Pölten auch das Festival Jazz im Hof (16. bis 19. August) und, bereits vom 12. bis zum 24. Juni, das Barockfestival 2017.

Tanz und Party

Das wiederum führt zu Tipps zum Ausklang der aktuellen Saison. Das Festspielhaus feiert am 9. Juni seinen 20. Geburtstag mit einem Tanzabend der kanadischen Choreografin Marie Chouinard – eine Kooperation mit Impulstanz – plus anschließender heftiger Party im Pop-up-Garten.

Und das Landestheater hat noch am 10. und am 14. Juni Hakan Savas Micans Die Eroberung des goldenen Apfels zu bieten und, nicht zu vergessen, das Stücke-Fest des Peter-Turrini-DramatikerInnenstipendiums am 17. Juni. Am 16. September gibt's dann ein "Theaterfest für alle". Insgesamt also: Die Zukunft kann kommen! (Helmut Ploebst, 8.6.2017)