Viktor Reuther macht die Kanäle frei.

"Schauplatz"-Reporterin Nina Horowitz begleitete David Pfiehl bei der Müllentsorgung in Krems.

Wien – Wer ans Wiener Kanalsystem denkt, hat zu 99 Prozent Szenen aus Der dritte Mann vor sich: Orson Welles, Zitherspiel, dunkle Gänge, finstere Gestalten, verschwörerische Blicke und so weiter. "Showraum" nennt Nina Horowitz die ikonenhaften Begegnungszonen im Wiener Untergrund, die noch heute in Führungen von Touristen durch beinahe klinisch saubere, zwei Meter hohe Gänge ehrfürchtig bestaunt werden. Dunst und Ausdünstungen kamen damals wie heute nicht vor. Nina Horowitz, Gustl Gschwantner (Kamera) und Roman Kretzer (Ton) machen im "Schauplatz" am Donnerstag um 21.05 Uhr auf ORF 2 das Leben abseits der Trampelpfade im Kanalsystem sicht- und hörbar.

Für die Reportage "Voller Dreck!" trafen sie Menschen, die unbemerkt Abfälle entsorgen, die am und im Menschen entstehen. Vorweg: Man sollte sein Abendmahl schon gegessen und verdaut haben, ehe man sich das Ganze zu Gemüte führt.

Apropos Verdauung: Eine unangenehme Überraschung wartet im Besucherklo des Wiener Sportklubs. Vandalen haben Spuren hinterlassen, Wände beschmiert, Leo Hruschka ist außer sich. Nicht wegen des Gestanks, der macht dem Klomann nichts aus. Für ihn gelten andere Kriterien: Wenn "manche so richtige Schweindln sind, dann mag ich sie nicht".

Dass es diese "richtigen Schweindln" gibt, wissen die Wiener Kanalarbeiter nur zu gut. "Man darf keine Angst haben", sagt Thomas Weigl. Furchtlosigkeit ist Hauptvoraussetzung, um in den Untergrund zu gehen. Horowitz steigt mit und watet buchstäblich in der Scheiße. 1.500 Euro netto verdient Teamchef Gerhard "Rosi" Rosner. Warum er den Beruf gewählt hat? Weil der Job krisenfest ist, sagt Rosner. "Scheiße wird es immer geben", fügt Horowitz dazu. Die Mitarbeiter plaudern aus dem Nähkästchen, etwa dass eine Strumpfhose bis zu 30 Meter lang werden kann und dass es, wenn sie im Sammelbecken reißt, Kacke regnet.

"Ich wollte zeigen, wie es wirklich ist, und mich nicht lustig machen", sagt Horowitz. Dazu musste sie erst das Vertrauen der Protagonisten gewinnen, "damit sie sehen, dass ich ihre Arbeit respektiere". Als Beweis durfte Horowitz dann auch hinab, begleitet von hämischen Kommentaren der Kanalarbeiter: "Geschmeidig wie eine Gazelle", ätzt Thomas Weigl. "Das ist jetzt Scheiße", sagt Horowitz. "Kann man auch sagen", bessert einer der Arbeiter aus. "Wir sagen Fäkalien dazu." Der kleinste Kanal ist 1,05 Meter hoch und 70 Zentimeter breit. Horowitz hat Glück, ihr Kanal ist größer, stehen kann man trotzdem nicht.

Justina Schneider ist "Stubenmädchen" in einem Hotel am Wiener Gürtel. Wir sehen, was Gäste zurücklassen, nachdem sie ausgecheckt haben: "Hat ihnen keiner Manieren beigebracht?", fragt sie. Die Arbeit sei "ein Knochenjob", sagt Horowitz. Ernüchternd habe sie erlebt, "wie sich Menschen benehmen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen". Kein schöner Anblick. (prie, 8.6.2017)