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Die Zahl der Insolvenzen von Unternehmen und Privaten ist im ersten Halbjahr 2017 gesunken. Besonders hoch ist der Rückgang bei Konsumschuldnern. Doch die schöne Statistik täuscht, der Geier wartet bereits. Schuld ist das geplante neue Insolvenzrecht.

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Auf den ersten Blick sieht es recht rosig aus: Sowohl Unternehmens- als auch Privatinsolvenzen gingen im ersten Halbjahr 2017 zurück. Letztere sogar um satte 31 Prozent, wobei die Verbindlichkeiten um 41 Prozent von 523 Millionen auf 309 Millionen sanken. Eröffnet wurden 2.935 Verfahren.

Doch die Zahl der verschuldeten Personen sei nicht zurückgegangen und die Statistik mit Vorsicht zu genießen, unterm Strich bedeute sie nichts Gutes, sagt KSV-Experte Hans-Georg Kantner. Schuld sei das neue Insolvenzrecht: "Das Regierungsvorhaben zur Novelle kam überfallsartig in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Ende Jänner." Das Problem dabei: Es gebe keine Differenzierung zwischen Unternehmer und Privatschuldner.

KSV1870

Anträge liegen auf Eis

Zwar sei die Reform des Privatinsolvenzrechts bisher von SPÖ und ÖVP für einen Start am 1. Juli nur angekündigt und noch nicht im Parlament beschlossen. Aber alleine in Erwartung der neuen Regeln gibt es laut KSV 1870 einen Privatkonkurs-Rückgang von 31 Prozent. Heißt: Viele Privatschuldner halten ihre Anträge derzeit noch zurück, um von den Erleichterungen des neuen Regelwerks zu profitieren. Dieses sieht vor, das Abschöpfungsverfahren von sieben auf drei Jahre zu verkürzen, die Mindestquote (zehn Prozent für absoluten Rechtsanspruch auf Schuldentilgung) soll gänzlich fallen.

Der KSV befürchtet, dass die Novelle ohne weiteren Feinschliff noch in dieser Legislaturperiode das Parlament passieren wird. Kantner: "Die Novelle wird Gläubigern und Gerichten viel Mehrarbeit bringen und, wenn sie ihre Ziele irgendwie erreichen möchte, die Quotenrückflüsse der Gläubiger massiv reduzieren." Außerdem gehe es bei der Reform darum, Geld lieber in den Konsum zu stecken, statt Schulden zu tilgen. "Eine langfristige und belastbare Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sollte anders ausschauen", kritisiert Kantner.

Aufgeschoben, nicht aufgehoben

Die Auswirkungen würden im zweiten Halbjahr spürbar werden, prophezeit der KSV-Experte. Er vergleicht die derzeit rückläufigen Zahlen mit einem Tsunami, der erst das Meer zurückweichen lässt, um dann mit enormer Wucht an Land zu schlagen. "Der Backlash kommt erst." Im Ergebnis, so seine Prognose, werden sich die Schuldenregulierungsverfahren auf dem Niveau von 2016 bewegen, also bei rund 8.000 Verfahren. Derzeit sind es 2.935, gleichzeitig gingen die Verbindlichkeiten um 41 Prozent zurück.

"Der typische Schuldner ist Anfang 20, kommt aus dem städtischen Umfeld und lebt über seine Verhältnisse", sagt Kantner. 45 Prozent kommen durch falsches Wirtschaften oder Fehleinschätzung der Lage in die Bredouille, lediglich 55 Prozent scheitern aus persönlichen Umständen.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ging unterdessen um vier Prozent auf 2.542 zurück. Einzige Ausnahme österreichweit ist die Steiermark, hier kam es zu einem Anstieg um gleich 20 Prozent. Im gleichen Zeitraum sanken die Verbindlichkeiten insgesamt um knapp 64 Prozent. Erklärt wird der starke Rückgang bei den Passiva mit drei Großverfahren im Vorjahr, die allerdings mit der österreichischen Wirtschaft kaum Berührungspunkte hatten. Selbst wenn man diese drei untypischen Fälle herausrechne, liegen die Passiva immer noch 25 Prozent unter denen des Vorjahrsvergleichswerts. Für das Gesamtjahr 2017 rechnet der KSV mit unveränderten Zahlen gegenüber 2016. Damals lag der Anstieg bei fünf Prozent. (ch, 7.6.2017)