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Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters geht auf seinem neuen Album in den Infight mit Donald Trump. Es ist eine Auseinandersetzung im Zeitlupentempo.

Foto: AP / Victoria Will

Wien – Bereits während des US-Wahlkampfs vergangenen Herbst bezog er Stellung. "Trump is a pig" verkündeten riesige Leuchtbuchstaben auf seiner Bühne. Dann verwirklichte sich Roger Waters' schlimmster Albtraum, und der von ihm als Schwein bezeichnete Donald Trump wurde US-Präsident. Das erforderte weiteres Handeln, nun hat Roger Waters sein erstes Soloalbum nach 25 Jahren veröffentlicht. Es heißt Is This The Life We Really Want?

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Seit seinem Erscheinen Ende letzter Woche liegt die Kritik davor weitgehend kritiklos auf dem Bauch. Das Subjekt von Waters' Anwerfungen ist derart unbeliebt, dass noch die lähmendsten akustischen Ausgeburten angespeichelt und angeschleimt werden.

Das ist nachvollziehbar. Donald Trump wird von sehr vielen Menschen als Bedrohung für den Planeten betrachtet, als Schande für die menschliche Spezies. Als egomanisches Kind an den Knöpfen, das uns allen das Licht ausknipsen könnte. Und dann kommt einer wie Waters daher und sagt es ihm so richtig rein. Super.

Bei jedem Problem auf der Matte

Das Gründungsmitglied von Pink Floyd ist diesbezüglich prädestiniert, schließlich gelten Pink Floyd als Band, in deren Katalog sich mehr Konzeptalben befinden, als ein Magen vertragen kann: The Dark Side Of The Moon, Animals, Wish You Were Here, The Wall ... – um sich mit vieren zu bescheiden. Alben wie diese haben die britische Band weltberühmt und immens erfolgreich gemacht. Musikalisch verstieg sie sich damit in eine Bedeutungsschwere, die sich oft in aufgeblähte und ausufernde Etüden zu Themen von existenzieller Schwere ergingen. In den 1970ern schien es, als stünden jedes Mal, wenn ein Problem aufpoppte, Pink Floyd schon auf der Matte, um es konzeptalbumsmäßig zu behandeln.

Roger Waters

Das galt als fortschrittlich, Waters als federführend. Die Musik zerdehnte sich unter dieser Behandlung ins vermeintlich Epische, ein Euphemismus für das Abdriften ins Komatöse. Oft wusste man nicht, behandeln Pink Floyd das Thema der geschundenen Kreatur noch oder sind sie schon dafür verantwortlich.

Auf Is This The Life We Really Want? geht der 73-Jährige nun also in den Infight mit Trump. Man darf sich das als Auseinandersetzung in Zeitlupe vorstellen. Positiv gestimmt lässt sich das als Atmosphäre bezeichnen, doch Waters' Zorn wird von dieser Trägheit unfreiwillig karikiert.

Donalds Blöd- und Eitelkeiten

Im Titelstück fährt er im Hintergrund Geschrei auf, das Rage und Revolution verheißen soll, vorn allerdings schmieren Streicher alles zu. Das Schlagzeug taumelt, alle paar Sekunden fallen dem Pianisten die müden Hände auf die Tasten mit dem Moll. Und natürlich wird er gesampelt, der Donald, mit einer seiner vielen dokumentierten Blöd- und Eitelkeiten.

Moaz Jaffer

Schuld an all dem Ungemach sind die Menschen selbst, beklagt Waters, weil sie nur zuschauen würden, anstatt aktiv etwas dagegen zu unternehmen. Beinharter Protestgesang.

Nigel Godrich, bekannt als Produzent von Bands wie Radiohead oder U2, versucht Waters' Anliegen zeitgenössisch klingen zu lassen. Doch viel mehr als Samples aus den Nachrichtenkanälen sind ihm nicht eingefallen. Der Rest sind ein paar tuckernde Synthesizersounds, die in den besten Momenten an den Charme der Imperfektion erinnern, der diese Instrumente früher auszeichnete.

Gerechter Zorn

Dazwischen beschwört Waters wort- und bildreich das Böse. Er wettert gegen Gier, Ausbeutung, die Zerstörung der Natur und die Dummheit des Menschen. Da mag man ihm nicht widersprechen. Es ist ein gerechter Zorn, der den Mann antreibt. Zwar wirft er mehr Fragen auf, als er Antworten bietet, aber das darf er. Als Künstler ist es sein Job, anzuklagen, aufzuzeigen. Aber gebiert dieses Mandat automatisch große Kunst?

Für Is This The Life We Really Want? lässt sich das beim besten Willen und bei aller Ablehnung Trumps nicht bejahen. In der globalen Pink-Floyd-Blase wird Waters' Neues wenig überraschend als Meisterwerk abgefeiert. Soll sein. Es wirkt da wohl wie ein altes Hausmittel gegen Krankheiten, auf das schon Oma vertraut hat. Niemand weiß, ob es wirklich hilft, aber seit gut 50 Jahren schadet es schon nicht. (Karl Fluch, 8.6.2017)