Großbritannien wählt am Donnerstag ein neues Parlament. Doch wer die Unterhauswahl gewinnt, wird – wenn überhaupt – frühestens ein bis zwei Stunden nach Mitternacht feststehen. Wahlkreis für Wahlkreis muss ausgezählt werden. Insgesamt 650 Parlamentssitze werden nach dem Prinzip "The winner takes all" vergeben. Sprich: Erlangt eine Partei in einem Wahlbezirk die relative Mehrheit, geht der Sitz an diese Partei. Ein wichtiger Indikator, wie es ausgehen könnte, sind die sogenannten "Marginal Seats", Wahlkreise, die 2015 mit einem Vorsprung von weniger als zehn Prozent gewonnen wurden.

Wann die wichtigsten Wahlkreise voraussichtlich ausgezählt sind, hat DER STANDARD zusammengestellt:

23 Uhr MESZ

Um 22 Uhr Londoner Zeit (23 Uhr MESZ) schließen die Wahllokale. Unmittelbar danach wird eine Exit-Poll veröffentlicht. Diese kann aber letztlich nur landesweite Trends aufzeigen, den Ausgang der Wahl wird man erst erahnen können, wenn erste Wahlergebnisse aus "Marginal Seats" vorliegen.

0 Uhr MESZ

Vor der Verkündung der ersten Ergebnisse kommt es zu einem bizarren Wettstreit: Im Laufschritt werden die Wahlurnen zur Auszählungsstelle getragen. Die Labour-Hochburg Houghton & Sunderland South kämpft um den Titel als jener Wahlkreis, der als erster ein Ergebnis verkündet. 2015 wurde das Ergebnis um 23.48 MESZ verkündet. Sunderland Central (ebenfalls Labour) wird ihnen dicht auf den Fersen sein.

1 Uhr MESZ

Ebenfalls keine Überraschungen werden in Washington & Sunderland West (Labour) und Swindon North (Konservative) erwartet.

2 Uhr MESZ

Ab 2 Uhr MESZ werden die ersten Ergebnisse von "Marginal Seats" bekanntgegeben:

In Nuneaton haben die Konservativen einen Vorsprung von 4.882 Stimmen, in Vale of Clwyd nur 237 Stimmen.

Darlington könnte aufgrund des Brexit-Votums für Spannung sorgen: Labour hat hier einen Vorsprung von 3.158 Stimmen, allerdings konnte hier bei der letzten Wahl die UK Independence Party (Ukip) ein starkes Ergebnis einfahren. Nachdem Ukip in den Umfragen kollabiert ist, könnte es für Labour entscheidend werden, wie viele Ukip-Wähler die Konservativen unterstützen werden. Noch knapper ist es in Wrexham.

3:00 Uhr MESZ

Um den Wahlkreis Thurrock gab es 2015 einen Dreikampf, den die Konservativen für sich entschieden – allerdings mit einem Vorsprung von nur 536 Stimmen. Entscheidend wird dieses Mal sein, wen die rund 15.000 Ukip-Wähler von 2015 wählen werden. Den Wahlkreis Bury North verteidigen die Konservativen mit einem 2015er-Vorsprung von nur 378 Stimmen.

Weniger knapp ist es für die Konservativen im Wahlkreis Hastings & Rye. Hier hatten sie 2015 einen Vorsprung von 4.796 Stimmen. Allerdings verteidigt den Sitz niemand Geringerer als Innenministerin Amber Rudd. Ein Verlust diese Wahlkreises könnte ein böses Vorzeichen für die weitere Wahlnacht sein.

In Essex gewannen die Konservativen 2015 den Wahlkreis Castle Point. Aber auch hier wird es spannend, wo die 9.000 Ukip-Wähler von 2015 ihre neue politische Heimat finden.

Den Wahlkreis Bury South verteidigt Labour mit einem Vorsprung von rund 5.000 Stimmen. Einen komfortablen Vorsprung von mehr als 12.000 Stimmen hat Labour in Blaenau Gwent, allerdings verlor Labour hier bei der Regionalwahl vor rund einem Monat. Deswegen könnte auch dieser Wahlkreis wackeln. Zwischen 3 und 4 Uhr morgens sollten auch die Wahlergebnisse aus Islington North in London, dem Wahlkreis von Labour-Chef Jeremy Corbyn, bekanntgegeben werden. Ein Sieg von Labour gilt hier als sicher. Gleichzeitig werden die Ergebnisse aus dem Wahlkreis City of Chester bekanntgegeben. Hier hat Labour eine hauchdünne Mehrheit von nur 93 Stimmen. Ähnlich knapp ist es im walisischen Wahlkreis Ynys Mon. Hier hat Labour 2015 mit einem Vorsprung von nur 229 Stimmen auf die Konservativen gewonnen.

In Schottland bangt die Scottish National Party (SNP) um den Wahlkreis Paisley & Renfrewshire South, der von Labour zurückerobert werden könnte.

4 Uhr MESZ

Ab 4 Uhr sollte sich – sofern nicht bereits zuvor geschehen – ein deutlicheres Bild des möglichen Wahlausgangs abzeichnen. Denn in den frühen Morgenstunden werden Wahlergebnisse aus vielen "Marginal Seats" bekanntgegeben.

In Westmorland & Lonsdale hofft der Chef der Liberaldemokraten, Tim Farron, auf einen Sieg, der nur dann gefährdet ist, wenn die Ukip-Wähler von 2015 diesmal die Konservativen wählen. Dieses Jahr tritt kein Ukip-Kandidat in dem Wahlkreis an.

Auch der knappste Wahlkreis bei der letzten Wahl sollte zwischen 4 und 5 Uhr sein Ergebnis verkünden: Im walisischen Gower gewannen die Konservativen mit nur 27 Stimmen Vorsprung. Knapp ist es auch in Derby North, wo die Konservativen 2015 mit einem Vorsprung von nur 41 Stimmen vor Labour gewannen. Clacton war der einzige Parlamentssitz der Ukip. Nachdem die Partei aber implodiert und der Sitz seither vakant ist, hoffen die Konservativen auf einen Sieg. Dumfriesshire, Clydesdale and Tweeddale ist der einzige Sitz der Konservativen in Schottland. Ihr Vorsprung betrug 2015 allerdings nur 798 Stimmen.

In Schottland bangt die SNP um den Wahlkreis Dunbartonshire East, den sie bei der letzten Unterhauswahl mit nur 2.000 Stimmen vor den Liberaldemokraten gewann.

Die Grünen hoffen auf einen Sieg/Wunder auf der Isle of Wight.

In Hampstead & Kilburn hat Labour einen Vorsprung von nur rund 1.000 Stimmen. Rochdale gewann Labour eigentlich mit einem komfortablen Vorsprung von mehr als 12.000 Stimmen. Der Abgeordnete Simon Danczuk wurde allerdings aus der Partei ausgeschlossen und kandidiert nun als Unabhängiger. In London kämpft Labour darum, den Wahlkreis Ilford North zu behalten.

5 Uhr MESZ

In Orkney and Shetland, dem einzigen Sitz in Schottland, der von den Liberaldemokraten gehalten wird, haben die LibDems einen Vorsprung von nur 817 Stimmen.

Labour wird indes versuchen, den Sitz in Edinburgh South zu verteidigen. Croydon Central hofft Labour von den Konservativen zu erobern, die hier 2015 nur einen Vorsprung von 165 Stimmen hatten. In Ealing Central and Acton hat Labour einen Vorsprung von nur 274 Stimmen. In Stoke-on-Trent Central konnte Labour mit starken Zugewinnen überraschen und hofft daher, den Wahlkreis dieses Jahr zu gewinnen. Gleichzeitig muss Labour den Sitz Norwich South vor den Liberaldemokraten verteidigen. Ebenfalls Hoffnungen macht sich Labour in Sheffield Hallam, dem Wahlkreis des Liberaldemokraten Nick Clegg.

Die Liberaldemokraten hoffen, Twickenham von den Konservativen zurückzuerobern, nachdem sie den Sitz 2015 verloren haben. Das Gleiche gilt für Bath, Colchester, Sutton & Cheam, Solihull and Yeovil. In Südlondon hoffen die Liberaldemokraten, Labour den Sitz Bermondsey & Old Southwark wegzuschnappen.

Nicht spannend wird es in Maidenhead, dem Wahlkreis von Premierministerin Theresa May. Ihr Sieg ist hier so gut wie sicher. Ihre Konservative Partei hofft indes, den schottischen Wahlkreis Berwickshire, Roxburgh and Selkirk von der SNP zu gewinnen, die hier nur einen Stimmenvorsprung von 328 Stimmen hat.

6 Uhr MESZ

Nach dem Sonnenaufgang hofft Ukip-Chef Paul Nuttall auf einen Sieg in seinem Wahlkreis Boston and Skegness, den die Konservativen derzeit mit einem Vorsprung von zehn Prozent halten.

Für Labour könnte es in Brentford & Isleworth und Wakefield knapp werden.

Die Grünen hoffen auf einen Sieg in Bristol West gegen Labour.

Die Konservativen wiederum hoffen, Wirral West von Labour zurückzuerobern, nachdem der Sitz 2015 verlorengegangen ist. Auch in Halifax hoffen die Konservativen auf einen Sieg. Labour hat hier nur einen Vorsprung von rund 500 Stimmen.

Ähnlich knapp ist es in Hove, wo Labour 2015 einen Vorsprung von 1.000 Stimmen auf die Konservativen hatte.

Sollte sich in den Morgenstunden noch immer kein klarer Trend für Konservative oder Labour abzeichnen, wird die Wahlnacht zum Wahltag. Die Wahrscheinlichkeit, dass keine der beiden Großparteien eine ausreichende Mehrheit hat, um alleine zu regieren, steigt. Das war zuletzt 2010 der Fall, als die Konservativen eine Koalition mit den Liberaldemokraten eingehen mussten und die Regierung erst sechs Tage nach der Wahl feststand.

Zeichnet sich anhand der ersten Ergebnisse bereits ein überwältigender Erfolg für eine Partei ab, werden die britischen TV-Sender einen Sieger ausrufen, lange bevor alle Wahlergebnisse vorliegen. 1987 war bereits um 1.47 Uhr MESZ klar, dass die Konservativen unter Margaret Thatcher die absolute Mehrheit gewinnen würden, 1997 verkündete die BBC um 2.38 Uhr MESZ, dass Labour-Chef Tony Blair der neue Premierminister sein wird. Bei der letzten Wahl 2015 musste das Publikum bis 6.44 Uhr MESZ warten, bis ein Gewinner feststand. (Stefan Binder, 8.6.2017)