Luxemburg – Österreich bleibt vorerst der einzige Nachbarstaat Deutschlands, der Berlin wegen der Autobahnmaut vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verklagen will. Dies wurde nach einem Treffen von Verkehrsministern von Anrainerstaaten am Mittwochabend in Luxemburg deutlich. Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) bekräftigte, Wien wolle auf jeden Fall eine Klärung vor dem EU-Gerichtshof.

"Wir haben heute sehr intensive Gespräche geführt" und der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt habe seine Arbeit dargelegt. Einigkeit konnte dabei aber keine erzielt werden, und "die anderen Staaten sehen die Lage in Deutschland ebenso sehr kritisch", betonte Leichtfried. Nun sei die Kommission aufgefordert, für Rechtsklarstellung zu sorgen. Am Donnerstag wolle Österreich die Kommission in einem gemeinsamen Statement mit den Niederlanden und Luxemburg dazu auffordern, so Leichtfried am Mittwochabend zur APA.

"Noch Klärungsbedarf"

Eine Klage werde aber mit oder ohne Unterstützung durch andere Staaten kommen, betonte Leichtfried. Er räumte ein, es gebe in den Niederlanden und in Luxemburg "noch Klärungsbedarf". Der tschechische Ressortchef Dan Tok äußerte sich hingegen schon eindeutig: "Wir sind mit der Entscheidung der EU-Kommission, keine rechtlichen Schritte gegen Deutschland zu unternehmen, einverstanden."

Luxemburgs Verkehrsminister Francois Bausch kündigte an, er werde zunächst mit seinen Kollegen aus den Niederlanden und Österreich von der EU-Kommission eine schriftliche Begründung verlangen, warum die Behörde am 17. Mai das laufende Mautverfahren gegen Deutschland eingestellt habe. "Ich glaube, es ist wichtig, dass die Kehrtwende der Kommission auch schriftlich begründet wird."

Die Kommission hatte lange bemängelt, dass inländische Autohalter in Deutschland auf den Cent genau bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollten. Aus Brüsseler Sicht stellte dies eine unerlaubte Benachteiligung ausländischer Fahrer dar. Daraufhin hatte Deutschland das Mautgesetz nachgebessert und Kurzzeittarife für Ausländer stärker gestaffelt sowie eine größere Entlastung von abgasarmen inländischen Autos vorgesehen. Danach stellte die EU-Kommission das laufende Verfahren gegen Deutschland ein. Es gebe nun keine Diskriminierung ausländischer Fahrer mehr, ließ die Behörde wissen.

EU-weite Maut

Bausch begrüßte, dass die Kommission Ende Mai eine EU-weite Maut vorgeschlagen hatte, die sich an den gefahrenen Kilometern – und nicht an Zeiträumen – orientieren solle. Ein solches System würde "die derzeitigen Meinungsverschiedenheiten beenden und eine Klage vor dem EuGH überflüssig machen". "Wenn dieses EU-System in diese Richtung geht, dann muss Deutschland sein System wieder überarbeiten." Wichtig sei eine europaweite Maut-Regelung.

"Ich strebe eher eine europäische Lösung an, als jetzt gleich zu klagen – was ich nicht sehr produktiv finde", sagte Bausch. Er sei eher für ein besonnenes Vorgehen. Und dass "man alle Positionen auf den Tisch bekommt".

Normalerweise werden Klagen wegen Vertragsverletzung von der EU-Kommission eingereicht, jedoch können auch einzelne Regierungen gegen andere Regierungen klagen. Dies ist allerdings seit Gründung der EU 1952 bisher nur sechs Mal geschehen. (APA, 7.6.2017)