In Bestform: Dominic Thiem.

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Paris – Dominic Thiem gegen Rafael Nadal: Der 23-jährige Niederösterreicher, der sich am Mittwoch mit einer großartigen Leistung zum zweiten Mal in Folge für das Semifinale von Roland Garros qualifizierte, steht am Freitag (nicht vor 15.30 Uhr, Andy Murray spielt zuvor ab 12.45 Uhr gegen Stan Wawrinka) vor seiner bisher schwierigsten Aufgabe – die Mission des besten Sandplatzspielers aller Zeiten zu stoppen.

Und diese lautet: als erster Spieler die "Decima" bei den French Open zu schaffen, also den zehnten Titel bei dem Grand-Slam-Turnier in Paris zu holen. Mit seinem vor allem in dieser Klarheit unerwarteten 7:6-(5)-6:3-6:0-Erfolg über Titelverteidiger Novak Djokovic hat sich Thiem weltweit in die Sportschlagzeilen gespielt. Es war sein 250. Match auf ATP-Tour-Niveau, passender hätte er das kleine Jubiläum nicht zelebrieren können.

Hungriger Thiem

Der Weltranglisten-Siebente könnte mit seinem ersten Einzug in ein Grand-Slam-Endspiel auf Platz sechs, mit dem Titel auf Rang fünf vorstoßen. Verliert er im siebenten Duell mit dem 31-jährigen Spanier zum fünften Mal, rutscht er aufgrund der ATP-Arithmetik auf Platz acht zurück. Thiem freute sich nur kurz und intensiv, ehe er wieder auf Wettkampfmodus schaltete. Schließlich ist das Turnier noch nicht vorbei. Und, wie es auch der unterlegene Djokovic ausdrückte, dieser Dominic Thiem ist hungrig.

"Sicher ist es ein Supergefühl, aber ich kann jetzt nicht in einen Freudentaumel verfallen, weil es weitergeht", erklärte Thiem. Und sieht auch einen Unterschied zu 2016. "Letztes Jahr war ich mit dem Semifinale in gewisser Weise schon ein bisserl zufrieden. Das ist jetzt anders. Ich wollte vor dem Turnier weit kommen und ein gutes Turnier spielen, das ist mir jetzt gelungen." Aber trotzdem gehe es für ihn weiter, und er sei voll im Turniermodus. "Ich bin nicht bereit, irgendwelche Freudensprünge zu machen."

Erinnerungen an Rom

Als einziger Sieger über Nadal auf Sand in diesem Jahr scheint Thiem dazu prädestiniert, dem 14-fachen Grand-Slam-Sieger den zehnten French-Open-Titel zu vermasseln. Beim 6:4-6:3-Erfolg vor fast drei Wochen in Rom hatte Thiem sein bestes Tennis ausgepackt. "Sicher hilft es, wenn man im Hinterkopf hat, man hat ihn schon geschlagen dieses Jahr, aber trotzdem wird es ein ganz anderes Match als in Rom", so Thiem. Die Bedingungen seien aber in Paris völlig anders, und in Rom sei ihm alles aufgegangen. "Das wird best of five nicht gehen. Aber ich habe auch in Madrid ein gutes Match gegen ihn gespielt."

Nadal gegen Thiem könnte auch die Endspielpaarung in Paris lauten, es ist das Aufeinandertreffen der besten Sandplatzspieler des Jahres. Schon in Barcelona und Madrid hatten die beiden das Finale bestritten, dann folgte das Viertelfinale in Rom. Innerhalb von knapp sechs Wochen ist es also das vierte Duell. Thiem: "Er ist der härteste Gegner, den man sich hier in Roland Garros nur vorstellen kann. Er ist wieder in Bestform."

Endlich auf dem Court Chatrier

Und erst jetzt, im sechsten Paris-Match 2017, wird Thiem endlich auf dem Court Philippe Chatrier einlaufen. Im Vorjahr war ihm das wegen der Regenverzögerungen trotz des Halbfinaleinzugs nicht vergönnt gewesen. Thiem hat erst einmal im größten Sandplatzstadion der Welt gespielt, ausgerechnet in seinem ersten Match gegen Nadal 2014.

"Ich werde dort trainieren. Sicher ist es ein bisserl ein Unterschied, weil dort sehr viel Auslauf ist, aber trotzdem ist der Platz im Endeffekt gleich groß wie alle anderen", so Thiem. "Nach ein paar Games wird diese Unerfahrenheit sicher wegfallen."

"Seine Vorhand ist besser"

In dem Duell treffen zwei der aktuell besten Vorhandspieler mit extremem Vorwärtsdrall aufeinander. Der achtfache sieht den 72-fachen Turniersieger auch da im Vorteil. "Wir haben beide einen aggressiven Spin. Es gibt noch einige Sachen, wo seine Vorhand um einiges besser ist. Er spielt viel sicherer oder selbstverständlicher den Inside-out (Vorhand aus der Rückhandecke, Anm.). Es ist beides unser bester Schlag."

Nadal steht dem Österreicher im Lob aber um nichts nach. "Er schlägt den Ball sehr hart und ist auf beiden Seiten voller Power. Vorhand, Rückhand, Aufschlag – diese Waffen sind ziemlich gut", sagte Nadal. "Er gibt dir nicht viele Möglichkeiten, ich muss ihn in unangenehme Positionen bringen. In Rom war es kein guter Tag für mich, er hat mich in Schwierigkeiten gebracht, das muss ich vermeiden." (APA, 8.6.2017)