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Wahllokal in Guaynabo

Foto: REUTERS/Alvin Baez

Die Karibikinsel Puerto Rico ist USA, aber anders. Auf dem Rasen vor dem Kapitol der Hauptstadt San Juan, die 1521 von spanischen Kolonialisten gegründet wurde, weht rechts neben dem Star-Spangled Banner des Mutterlandes die Flagge Puerto Ricos im warmen Karibikwind.

Zwei Fahnen im warmen Karibikwind. Jene Puerto Ricos (links) und die der USA (rechts).
Foto: AFP

Bis 1952 war die Fahne, die fünf rot-weiße Längsstreifen und ein weißer, fünfzackiger Stern auf blauem Dreieck zieren, verboten. Sie galt als Symbol der im Kalten Krieg von Washington verfemten Freiheitsbewegung auf der kleinen Insel in der Ostkaribik, die etwa so groß wie Kärnten und seit 1898 als Commonwealth of Puerto Rico ein US-Außengebiet ist.

119 Jahre danach stimmen die knapp 3,4 Millionen Insulaner – allesamt US-Staatsbürger – am Sonntag zum insgesamt fünften Mal über die sogenannte "Status"-Frage ab. Der Zeitpunkt scheint heikel. Puerto Rico steht mit siebzig Milliarden US-Dollar in der Kreide. Sollte die Insel ein Bundesstaat werden, müsste Washington zumindest für einen Teil der Schulden geradestehen.

DER STANDARD hat die wichtigsten Fragen zu der symbolträchtigen Abstimmung in der Karibik beantwortet:

Frage: Welche Optionen stehen zur Wahl?

Antwort: Auf dem Stimmzettel am Sonntag stehen drei Auswahlmöglichkeiten: Bundesstaat, Unabhängigkeit/Freie Assoziierung und Status quo. Gewinnt zweitere Option, würde ein weiteres Referendum über die Details der neuen Verfasstheit Puerto Ricos folgen. Die Abstimmung ist freilich nicht bindend; wie der US-Kongress und die Trump-Regierung auf die Willensbekundung des bankrotten Karibikeilands reagieren, ist ungewiss. Ursprünglich hätte die Regierung in San Juan nur über zwei Optionen abstimmen lassen wollen, erst eine Intervention aus Washington brachte die Beibehaltung des Status quo als dritte Variante ins Spiel.

Frage: Wer macht sich wofür stark?

Antwort: Die Frage des Status der Insel beherrscht seit Jahrzehnten das politische Leben auf Puerto Rico. Die Trennlinien zwischen den dominierenden Parteien auf der Insel stellen sich demnach auch weniger ideologisch dar, als dass sie zwischen den unterschiedlichen Visionen für die politische Zukunft der Insel verlaufen. Die Neue Fortschrittspartei (PNP) des 38-jährigen Gouverneurs Ricardo Rosselló macht sich für die Umwandlung des wirtschaftlich maroden und politisch kaum repräsentierten US-Außengebiets in einen Bundesstaat stark. Sein Wahlkampf war auf ein neues Plebiszit zugeschnitten. Die Demokratische Volkspartei (PPD) von Héctor Ferrer steht für die Beibehaltung des Status quo, will das Verhältnis zu Washington aber adaptieren. Etwa sollen künftig auch Nicht-US-Schiffe Waren zwischen der Insel und dem Mutterland transportieren dürfen, um die Preise zu senken. Und die Unabhängigkeitspartei (PIP) fordert wenig überraschend die Loslösung Puerto Ricos von der "Kolonialmacht" USA.

Frage: Wie ging die letzte Abstimmung aus?

Antwort: 2012 antworteten 54 Prozent auf die Frage, ob man mit dem derzeitigen Status Puerto Ricos zufrieden sei, mit Nein. 61 Prozent stimmten dafür, die Insel in einen US-Bundesstaat umzuwandeln ("Statehood"), 33 Prozent waren für eine freie Assoziierung an die USA, etwas mehr als fünf Prozent für die Unabhängigkeit.

Frage: Wie argumentieren die "Statehood"-Befürworter?

Antwort: Als Bundesstaat kämen der Insel mehr Fördergelder aus den Töpfen Washingtons zugute, verspricht Gouverneur Rosselló. Mehr Geld für Infrastruktur bedeute mehr Investitionen in den Wirtschaftsaufschwung in Puerto Rico, wo 46 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben und – laut Zahlen vom März – 11,5 Prozent Arbeitslosigkeit herrscht. Schon heute können sich Puerto-Ricaner als US-Bürger ohne jedes Hindernis zwischen Alaska und Key West niederlassen, 5,1 Millionen leben bereits auf dem US-Festland, weit mehr als auf der Insel selbst. Seit 2010 haben 400.000 Menschen Puerto Rico verlassen. Rosselló spielt aber auch die antikolonialistische Karte, die auf der Insel traditionell sticht. So sei Puerto Rico erst als Bundesstaat eine echte Demokratie. "Puerto Rico ist eine Insel von US-Bürgern ohne Bürgerrechte", sagt er. Bisher dürfen Puerto-Ricaner schließlich trotz ihrer Staatsbürgerschaft nicht den US-Präsidenten wählen. Umfragen sehen das "Statehood"-Lager mit etwas mehr als fünfzig Prozent in Front, siebzehn Prozent könnten demnach für den Status quo stimmen.

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Nach 35 Jahren Haft ist der puerto-ricanische Unabhängigkeitskämpfer Oscar López Rivera im Mai freigelassen worden. Seine Guerillagruppe FALN hatte in den 60er- und 70er-Jahren Bombenanschläge verübt, bei denen sechs Menschen getötet wurden.
Foto: Reuters

Frage: Wie hoch sind die Chancen für ein unabhängiges oder frei assoziiertes Puerto Rico?

Antwort: Obwohl sich manche Puerto-Ricaner schon gegen die früheren spanischen Kolonialisten und später auch gegen die US-Herrschaft teilweise gewaltsam erhoben, stimmten bei den vier bisherigen Referenden 1967, 1993, 1998 und 2012 jeweils nur etwa fünf Prozent für die Unabhängigkeit der Insel. Und auch 2017 wird sich, glaubt man den Umfragen, der Ruf "Weg von Washington" nur eine kleine Minderheit erreichen. Da diesmal aber "unabhängig" und "frei assoziiert" gemeinsam abgefragt wird, rechnen Meinungsforscher mit etwa 15 Prozent für diese Option.

Frage: Was bedeutet das Referendum im Lichte der Finanzprobleme Puerto Ricos?

Antwort: Als Bundesstaat könnte sich das mit siebzig Milliarden Dollar verschuldete Puerto Rico nach US-Insolvenzrecht für zahlungsunfähig erklären, ähnlich wie es die ehemalige Automobilmetropole Detroit getan hat. Dann müsste Washington wohl zumindest teilweise für die Miese aufkommen. Seine überbordende Bürokratie, die chronische Korruption und sein überlastetes Sozialsystem sprechen freilich gegen eine nachhaltige Erholung des potenziellen 51. Bundesstaats. (flon, 10.6.2017)