Professor Ednan Aslan vom Institut für Islamische Studien der Uni Wien.

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Wien – Muslime in Österreich haben vielfältige Zugänge zur Religion. Eine aktuelle Langzeitstudie mit 700 Teilnehmern mit muslimischem Glauben kommt zu dem Ergebnis, dass die religiöse Prägung im Alltag der Muslime abnehme. Demnach gehe die Entwicklung hin zu einem säkularen Islam, ist das Fazit der Studie "Muslimische Milieus in Österreich", die am Institut für Islamische Studien der Universität Wien durchgeführt wurde.

Rund 40 Prozent der Studienteilnehmer würden sich zwar als Muslime bezeichnen, die Religion präge aber nicht ihren Alltag, sagt einer der Studienautoren, Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik der Fakultät für Bildungswissenschaft der Uni Wien. 25 Prozent davon seien nach eigenen Angaben Muslime aus "kultureller Gewohnheit". Die religiöse Praxis hätte situativen Charakter, wie das Fasten im Ramadan. Für die übrigen rund 15 Prozent bestehe die Religionszugehörigkeit, ähnlich wie bei "Taufscheinchristen", überhaupt nur auf dem Papier.

60 Prozent hochreligiös

Rund 60 Prozent der Befragten wurden in der Studie als hochreligiös eingestuft, knapp die Hälfte davon habe aber einen pragmatischen Zugang zur Religion, bei dem die Religiosität der jeweiligen Situation, wie dem Arbeitsplatz, angepasst wird. "Wer im Job beten kann, betet, wo es nicht möglich ist, ist das auch kein Problem", so Aslan auf Nachfrage des STANDARD. Rund 15 Prozent davon hätten einen selbstbestimmten Zugang zur Religion, der auch in Widerspruch zu traditionellen Praktiken stehen kann, etwa bei der Einhaltung der Gebetszeit. Diese Gruppe, vor allem junge Menschen, zeige auch eine weltoffenere und liberalere Haltung. "Da gibt es auch keinen Zwang oder Gewissensbisse, weil der Islam locker interpretiert wird", so Aslan.

Im Gegensatz dazu sehen 14 Prozent der unter den Teilnehmern als hochreligiös eingestuften Muslime die fünf religiösen Säulen des Islam (wie Glaubensbekenntnis, Gebet und Wallfahrt nach Mekka) als Gesetz und als unumstößliche Pflichten im Alltag an. Sie stehen der Trennung von Staat und Religion und anderen Religionen ablehnend gegenüber.

Knapp 80 Prozent der befragten Muslime fühlten sich aber nicht von Moscheevereinen vertreten. "Die klassische Lehre der Imame entspricht nicht mehr den Erwartungen der Gesellschaft", beobachtete einer der Studienautoren, Erol Yildiz vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck.

Unterschied Stadt Land

Fünf Jahre lang arbeiteten die Studienautoren für die Erstellung und Auswertung der Studie. Aus den wissenschaftlichen Interviews und Fragebögen leiteten die Autoren fünf Praxisformen ab, die von einer stark konservativ geprägten bis weltoffenen Religiosität reichen. Entsprechend der Bevölkerungsstatistik zu Muslimen in Österreich (2001), besaß der größte Teil der befragten Muslime eine österreichische Staatsbürgerschaft, gefolgt von Muslimen mit bosnischer, türkischer und arabischer Staatsangehörigkeit. In Bezug auf das Herkunftsland zeichnete sich ab, dass in Metropolen eher extremere Praxisformen praktiziert werden, während in ländlichen Gegenden ein eher pragmatischer Zugang vorherrscht.

Eine Besonderheit der Studie ist, dass der Fokus der Untersuchung nicht auf islamischen Organisationen, Moscheegemeinden oder religiösen Einrichtungen liegt, sondern auf der religiösen Alltagspraxis. Zudem wurden nur Menschen befragt, die sich selbst als "Muslim" bezeichnen. (APA, simo, 8.6.2017)