67P/Tschurjumow-Gerassimenko aus einer Distanz von rund 30 Kilometern. Die Aufnahme entstand im November 2014.

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Bern – Welche Rolle spielten Kometen bei die Entstehung des Lebens auf der Erde? Das ist eine der Fragen, der die Mission Rosetta mit der Erforschung des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko, kurz Tschuri, nachgegangen ist. Nun konnte ein internatinales Forscherteam nachweisen, dass Kometen unter anderem einen Teil der Edelgase auf die Erde gebracht haben.

Die Zusammensetzung des Edelgases Xenon in der Erdatmosphäre unterscheidet sich zum Teil von derjenigen, die sich bei anderen Himmelskörpern unseres Sonnensystems finden, zum Beispiel in der Marsatmosphäre, im Sonnenwind, in Meteoriten oder in Asteroiden. Woher dieser abweichende Teil des Xenons in der Erdatmosphäre kommt, war bisher ein Rätsel.

Diese Frage konnte nun mithilfe von Daten des an der Universität Bern entwickelten Messinstruments Rosina an Bord der Rosetta-Sonde beantwortet werden, wie die Wissenschafter aktuell im Fachblatt "Science" berichten. Demnach haben Kometen wie Tschuri rund ein Fünftel (22 Prozent) des Xenons in der Erdatmosphäre beigetragen.

"Wenn man die Zusammensetzung des Xenons vom Kometen und die von den Objekten des inneren Sonnensystems im Verhältnis vier zu eins mischt, stimmt das sehr gut mit dem Xenon in der Erdatmosphäre überein", sagte Studienautor Martin Rubin von der Uni Bern.

Xenon existiert in mehreren, verschieden "schweren" Versionen, Isotope genannt. Die Mischung dieser Xenon-Isotope konnte Rosina in den Ausgasungen des Kometen messen, während die Rosetta-Sonde im Mai 2016 einige sehr enge Umlaufbahnen um den Kometen flog – im Abstand von nur sieben bis zehn Kilometern von seinem Zentrum.

Anhand der Rosina-Daten konnten die Forscher um Kathrin Altwegg bereits in einer früheren Publikation in "Science" berichten, dass sich die Zusammensetzung des Wassers auf Tschuri von der des irdischen Wassers deutlich unterscheidet. Kometen scheinen demnach keinen wesentlichen Beitrag zum Wasser auf der Erde geleistet zu haben.

"Die Frage ist darum: Haben Kometen überhaupt eine Rolle gespielt für die Erde?", so Altwegg. "Und in diesem Zusammenhang: Wie ist es mit der Theorie, dass Kometen die Entwicklung von Leben auf der Erde gestartet haben?" Mit den neuen Ergebnissen lasse sich nun sagen, wie viel der Edelgase von Kometen kommen, und daraus folgern, wie viel Material überhaupt von Kometen geliefert wurde.

So konnten die Forscher auch abschätzen, dass etwa ein Prozent des Wassers der Ozeane von Kometen stammt. Interessant dürften auch weitere Analysen der Rosina-Daten über organische Verbindungen im Kometen werden. "Wenn wir die organischen Verbindungen – also Kohlenwasserstoffe und die einfachste Aminosäure Glyzin, die wir mit Rosina auf dem Kometen entdeckt haben – inventarisieren, können wir auch bestimmen, wie viel dieser Zutaten für die Entstehung von Leben auf der Erde von Kometen stammten", sagte Rubin.

In einer weiteren Publikation, die kürzlich im Fachblatt "Astronomy and Astrophysics" erschienen ist, stellte das Team um Rubin außerdem fest, dass sich auch die Zusammensetzung der Silizium-Isotope in Tschuri von der in der Sonne oder in Meteoriten unterscheidet. Daraus lasse sich schließen, dass das frühe Sonnensystem – eine Scheibe aus Gas und Staub, aus der sich die verschiedenen Objekte unseres Sonnensystems formten – sehr heterogen war, so der Forscher.

"Objekte, die sich im äußeren Bereich der Scheibe bildeten – also Kometen –, unterscheiden sich in ihrer chemischen Signatur von denen im Zentrum", sagte Rubin. "Bisher nahm man an, dass das Material in der Staub-Gas-Scheibe, das aus verschiedenen Sternenexplosionen stammt, viel besser durchmischt war." Man müsse die Modelle über die Entstehung von Sonnensystemen daher anpassen.

"Zum einen kann man es so sehen, dass es ein Glücksfall war, dass auf der Erde gerade die richtige Mischung für die Entstehung von Leben zusammengekommen ist", so Rubin. "Andererseits können die notwendigen Zutaten durch Kometeneinschläge auch auf anderen Planeten landen." In unserem Sonnensystem könne das beim Mars der Fall gewesen sein. "Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Glücksfall erscheint dadurch auch wieder ein Stück weit größer." (APA, 10.6.2017)