Im besten Fall, wie hier im steirischen Mautern, wird das Miteinander zu einem fruchtbaren Prozess. Jedenfalls können viele Konflikte gelöst oder sogar überhaupt verhindert werden, bevor sie entstehen.

Foto: GBV Steiermark / Zusammen Wohnen

Eine friedliche Nachbarschaft, im Idealfall sogar eine auf gegenseitigem Vertrauen und auf Hilfsbereitschaft basierende, trägt maßgeblich zur Lebensqualität bei. Dass eine solche nicht immer selbstverständlich ist, weiß man spätestens, wenn man selbst das Gegenteil erlebt hat.

"Man ist schon vor Jahren draufgekommen, dass ein hoher Anteil der Arbeit von Hausverwaltungen darin besteht, sich mit sozialen Konflikten unter Nachbarn zu beschäftigen", erzählt Janosch Hartmann, der Leiter des Projektes "Zusammen Wohnen", dem Standard. Dabei sei Konfliktlösung bzw. Mediation weder per Gesetz noch in der Ausbildung die Aufgabe von Hausverwaltungen.

Interkulturelle Spannungen

Das Sevicebüro Zusammen Wohnen wurde 2013 in Graz eingerichtet. Es ist ein gemeinsames Projekt des Landes Steiermark und des Verbandes der gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV). Das Projekt soll nicht nur helfen, Konflikte zu lösen, sondern auch – etwa bei Neueröffnungen von Siedlungen – diese erst gar nicht entstehen zu lassen.

Für Streitereien gibt es bekanntlich viele Gründe. Auch die vermehrte Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturkreisen hat neue Themenfelder aufgetan. Obwohl: Neu sind diese auch nicht immer. "Die Klassiker sind immer noch Dinge wie Mülltrennen oder Lärm, oft auch Kinderlärm", weiß Wolfram Sacherer von der GBV, einer der Mitinitiatoren des Projektes.

Nicht, dass man sich nicht genauso über einen eingeborenen Österreicher ärgert, wenn er seinen Müll in die falsche Tonne schmeißt. Doch sprachliche Barrieren und andere Gebräuche müssen manchmal erst überwunden werden. Die Entstehung des Servicebüros, das mittlerweile im ganzen Bundesland mehrere Broschüren und ein Handbuch aufgelegt hat und humorvoll erklärende Karikaturen in Stiegenhäusern aufhängt, fußte daher auch im Ressort der damaligen Integrationslandesrätin und heutigen Landtagspräsidentin Bettina Vollath (SPÖ). "Die Integrationsstrategie wurde damals als Querschnittsmaterie der Themenfelder Arbeit, Bildung und Wohnen erkannt", erinnert sich Projektleiter Hartmann. Zu diesem Zweck entwickelte man 2011 die "Charta des Zusammenlebens in Vielfalt in der Steiermark", in der elf Grundsätze festgeschrieben wurden. Der erste Grundsatz darin ist das "Bekenntnis zur Entwicklung einer offenen Gesellschaft auf Basis der Europäischen Menschenrechtskonvention".

"Je größer die Anlagen, desto eher gibt es Konflikte"

Mit Zusammen Wohnen wurde dann die Charta im Bereich Wohnen umgesetzt, "wobei man sich sehr geschickt die großen Player, also gemeinnützige Bauträger, an Bord holte", so Hartmann, "denn je größer die Anlagen, desto eher gibt es Konflikte".

"Was dabei allen Nachbarn klar sein muss in der heutigen Dienstleistungsgesellschaft, wo man bei jedem Problem eine Nummer wählen kann, aber oft nicht gleich klar ist: Für eine gute Nachbarschaft muss man auch selbst etwas investieren", betont Hartmann. Das heißt: Man kann sie nicht von außen reparieren lassen wie eine kaputte Heizung. "Wir haben aber eine große Dankbarkeit darüber erlebt, dass es jetzt bei Konflikten eine konkrete Anlaufstelle gibt", sagt Hartmann. Man habe zwar keine Statistiken, aber eine "Besserung sei definitiv bemerkbar". Auch daran, dass Beschwerden aus Siedlungen, wo man Mediationen oder Beratungen durchführte, deutlich zurückgehen. (Colette M. Schmidt, 11.6.2017)