Gastiert mit Theatergedanken zum Thema Religionen beim Bregenzer Frühling mit "Ich glaube": das Aktionstheater.

Stefan Hauer

Bregenz – Als H. C. noch für den Dichter Artmann stand anstelle eines Politikers, galt zu beachten: "nua ka schmoez how e xogt!" Das war im Jahr 1958. Ganze 59 Jahre und mehrere aufklärerische Bewegungen später ist das Sentiment noch da, und das Ressentiment schmiegt sich an: Religion ist auch ein Faktor der Selbstlegitimierung, Abgrenzung, Ausgrenzung und – schlimmstenfalls – Gewaltausübung.

Dieser Phänomene nimmt sich das Aktionstheater Ensemble in Ich glaube an: Wieder entwickelten Regisseur Martin Gruber und Dramaturg Martin Ojster das Stück im Austausch mit dem perfekt besetzten Schauspielteam. In der fünfköpfigen Truppe machen die Frauen auf dicke Hose. Als individuelle Irgendwie-doch-Repräsentantinnen von Islam, Katholizismus und Protestantismus sind Susanne Brandt, Alev Irmak und Claudia Kottal laut, räudig, grimmig und von bohrender Intensität.

Eher schwafelig

Martin Hemmer (als von sich selbst eingenommener, schwafeliger Bescheidwisser) und auch Benjamin Vanyek (als naiv-verspielter Jüngling) haben mehr Leichtigkeit ausgefasst. Das ist kein Wunder angesichts der Ideen, mit denen die Schriften und Auslegungen großer Glaubensrichtungen dem anderen Geschlecht begegnen.

Auf der Couch mit Plastiküberwurf – das war's dann eigentlich schon mit dem Bühnenbild – ist kein Platz für Psychoanalyse: Auf Augenhöhe und in Tuchfühlung rücken einander die Körper und die Geisteshaltungen auf die Pelle. Aus einer zylindrischen Tonne im Hintergrund zaubern sich Federboas, Blumengirlanden und Engelsflügel hervor – für Benjamin – oder auch eine Schwimmbad-Schnellfeuerwaffe für Alev Irmak.

Das Wasser, mit dem diese ihre Leute minutenlang beschießt, ist dann rot. Und die Kriegsfilm- oder Videospiel-Geräuschkulisse (Kristian Musser) zum Wirken der trockenen Einzeltäterin wird überlagert von hektisch-virtuosem Spiel auf der Geige (Kirill Goncharov) und der Bratsche (Jean Philipp Viol).

Der Liebeskummer

Chorisch gesetzten Gesang zelebrieren die Frauen- und Männerstimmen innig. Das geht nahe, auch wenn es sich bei den Liedern um "schmoez" zum Quadrat handelt. Die Grenze markiert Patrona Bavariae; die lukrative Verquickung von wehleidigem Liebeskummer und Anschmachtung der Gottesmutter kann nicht annähernd affirmativ über die Bühne gehen: Das ist die Stunde von Susanne, die dem Dreivierteltakt des peinsamen Ohrwurms mit geraden Schlägen zwischen Schenkelklopfen, Headbanging und Durchdrehschlottern in die Quere kommt. (Petra Nachbaur, 9.6.2017)