Noch haben ÖBB-Züge bei der öffentlichen Vergabe im Nah- und Regionalverkehr Vorrang. Aber die Westbahn zeigt auf, will ebenfalls im Auftrag des Bundes Pendlerverkehre abwickeln.

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Wien – Während die Koalitionsparteien bis zum Verfassungsausschuss am 26. Juni einen Kompromiss in Sachen Vergaberechtspaket suchen, zieht die Westbahn gegen den "Casus Belli" vor Gericht: Westbahn hat bei Landes- und Bundesverwaltungsgericht einen Nachprüfungsantrag gegen den geplanten Verkehrsdienstvertrag (VDV) zwischen Bund, Land Tirol und ÖBB eingebracht.

Diese Nachprüfung hat zwar – wie das Vorarlberger Pendant im Vorjahr – gute Chancen, abgewiesen zu werden, aber Westbahn will es zumindest versucht haben, die von Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) geplante Direktvergabe zu überdenken. Zeit dafür gibt es zur Genüge. Denn die vor zwei Wochen veröffentlichte Ankündigung über die beabsichtigte Direktvergabe kann bis zur Nationalratswahl im Oktober ohnehin nicht durchgezogen werden. Denn zwischen Aviso und Vertragsabschluss gibt es zwölf Monate gesetzliche Wartefrist. Und ob sich ein neuer Verkehrsminister an den Pakt hält, ist ungewiss.

Bis zur Wahl umsetzbar ist nur der im Juli 2016 zwischen Vorarlberg, Verkehrsministerium und ÖBB geschlossene VDV-Pakt, der den Ankauf von ÖBB-Regionalzügen (von Bombardier) auslöste.

Direktvergabe

Wie das von ÖVP-Mandataren auf überregionale Bahnverbindungen reduzierte Direktvergabeverbot in der Praxis umsetzbar sein soll, fragt man sich nicht nur im Verkehrsministerium. Denn sowohl im Vorarlberger VDV als auch im Tiroler ist die staatliche Finanzierung von Railjet-Zügen (Salzburg-Innsbruck-Bregenz) inkludiert. Womit klar ist, warum sich just der aus Tirol stammende Verkehrssprecher Georg Willi für die Direktvergabe starkmacht.

Aber auch abseits des Verkehrs erntete das vom Ministerrat beschlossene Vergaberechtspaket samt Bestbieterprinzip (soll die Einhaltung sozialer und arbeitsrechtlicher Mindeststandards insbesondere am Bau garantieren) Kritik. Die ÖVP stimmte nach Länderprotesten nur unter Vorbehalt zu. Industrie und Opposition schäumen. Wertvolle Chancen auf nachhaltige Verbesserung in der öffentlichen Beschaffung blieben ungenützt, kritisiert etwa die Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI).

Bestbieter als Feigenblatt

"Die gesetzliche Verankerung von verpflichtenden Qualitätskriterien mit einer Mindestgewichtung ist aus unerklärlichen Gründen nicht vorgesehen, sagt FEEI-Geschäftsführer Lothar Roitner. "Der enorme Hebel für Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Österreich funktioniert aber nur, wenn alle Branchen inkludiert sind und das beste, nicht das billigste Anbot den Zuschlag bekommt. Sonst werden ausschreibende Stellen weiterhin Feigenblattkriterien anwenden."

Ins selbe Horn stößt die grüne Bautensprecherin Gabriela Moser: Der Preis habe noch immer so hohen Stellenwert, dass die Qualität weit zurückgedrängt werden und der Billigstbieter gewinnt, etwa bei "standardisierten Leistungen im Straßenbau, Lieferungen von Waren oder Dienstleistungen mit hohem Standardisierungsgrad", zählt Moser auf. Reinigungs- und Bewachungsdienstleistungen seien überhaupt zum "Bestbieterprinzip zweiter Klasse" degradiert. Denn einerseits genügten laut § 91 Abs. 6 "qualitätsbezogene Aspekte" bei "Beschreibung der Leistung" oder "Eignungskriterien", kritisiert Moser. Die Reihung selber könne dann aber erst recht rein nach Preis vorgenommen werden. (Luise Ungerboeck, 9.6.2017)