Taten hatte sich von der Europäischen Zentralbank (EZB) ohnedies niemand erwartet. Und jene, die sich zumindest Hinweise auf eine anstehende Zinswende in Euroland erhofft hatten, wurden enttäuscht. Lediglich noch tiefere Zinsen kann sich EZB-Chef Mario Draghi im Gegensatz zu Ende April nun nicht mehr vorstellen. Wenig überraschend, wenn die Wirtschaft in Europa brummt wie seit Jahren nicht und die Inflation heuer schon am Zielwert von knapp zwei Prozent gekratzt hat.

In dieser Phase wäre ein Signal wichtig gewesen, dass die Eurozone die jahrelange Krise weitgehend ausgestanden hat. Es ist schon bezeichnend, wenn ein Fondsmanager, also ein potenzieller Nutznießer der EZB-Politik, kritisiert, die Notenbank würde mehr auf die Preisentwicklung von "Socken und Wasserkochern" achten denn auf stetig anziehende Häuserpreise und Wohnkosten in Europa.

Noch gut in Erinnerung ist der Feuerwehreinsatz eines hemdsärmelig wirkenden Mario Draghi – Stichwort "whatever it takes" -, als er Mitte 2012 in ihrer bisher schwersten Stunde um das Bestehen der Eurozone gekämpft hatte. Er tat das damals mit Erfolg. Doch wenn es um die schrittweise Normalisierung der Geldpolitik geht, wirken er und die Ratsmitglieder zögerlich bis geradezu entscheidungsschwach. Es entsteht das Bild, als würde die Feuerwehr unbeirrt weiterlöschen, obwohl die Handwerker längst begonnen haben, die Brandschäden am Gebäude zu sanieren. (Alexander Hahn, 8.6.2017)