Beim Stehen wird der Rücken entlastet.

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So lässt es sich gleich freier durchatmen.

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Franziska Zoidl beschäftigt sich beruflich mit Gesundheit. Überlegungen zum Thema Gesundheit am Arbeitsplatz kommen da ganz automatisch.

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Das Wichtigste vorweg: Dieser Artikel wurde im Stehen geschrieben. Ich habe dabei entspannt aus dem Fenster hinaus auf die Straße geschaut, bin mehrmals einige Schritte vor- und zurückgegangen und habe meine Stehposition alle paar Minuten geändert. Ein ganz neues Arbeitsgefühl.

Denn der Mensch ist nicht zum Sitzen gemacht – schon gar nicht, wenn das, wie bei den meisten von uns, mit einer falschen Sitzposition – überschränkte Beine, Gesicht zu nahe am Bildschirm – und viel zu wenig Bewegung einhergeht. Obwohl ich den Großteil meines Tages sitzend verbringe, sind meine Beine abends schwer, der Nacken ist steif und die Augen trocken.

In vielen modernen Büros gibt es daher mittlerweile höhenverstellbare Schreibtische. So kann mit wenigen Handgriffen zwischen Arbeiten im Stehen und im Sitzen herumgewechselt werden. Denn Arbeiten im Stehen ist gesund: Dabei wird der Rücken entlastet und der Körper besser durchblutet. Auch ein netter Nebeneffekt: Beim Stehen werden mehr Kalorien verbrannt als beim Sitzen. Und was sofort klar wird: Beim Arbeiten am Stehtisch, den ich mir dankenswerterweise vom Kollegen vom Sport ausborgen durfte, atmet es sich gleich viel freier.

Viele Neugierige

Ich übersiedle also für die (kurze) Arbeitswoche an einen Stehtisch, der direkt am Fenster Platz hat. Das ist auch schon die erste Erkenntnis aus dem Selbsttest: Stehen gibt neue Perspektiven. Ich drehe mich um und sehe keine Regalwände mehr, sondern vor dem Fenster vorbeiziehende Autos. Und ich werde auch anders wahrgenommen: Jeder, der im Büro an mir vorbeigeht, bleibt neugierig stehen und fragt, wie es sich denn so arbeitet.

Was schnell klar wird: Bequeme Schuhe sind wichtig. Schon am zweiten Tag arbeite ich in Socken, weil sich nach spätestens vier Stunden meine Schuhe zu eng anfühlen. So, wie es von Experten empfohlen wird, bleibe ich mit meinen Beinen stets in Bewegung: Ich verlagere mein Gewicht von einem Bein aufs andere, stelle mich kurz auf die Zehenspitzen, wechsle dann wieder in den hüftbreiten Stand und spanne dabei Hintern und Bauchmuskeln an.

Wenn ich nachdenke, drehe ich mich auch einmal im Kreis oder gehe ein paar Schritte vor und zurück. Überhaupt bewege ich mich plötzlich viel mehr: Wenn das Telefon auf meinem herkömmlichen Bürotisch klingelt, muss ich mich an einem Kollegen vorbeischlängeln und die paar Schritte laufen. Das tut mir richtig gut – der Kollege wirkt weniger erfreut.

Schon am ersten Tag wird mir klar, dass ich mein Mittagessen lieber weiterhin im Sitzen einnehme, sonst fühle ich mich wie an einem Würstelstand. Außerdem wird mir nach dem Essen am Stehtisch mit vollem Bauch kurz schwindelig. Etwas verschämt setze ich mich für ein paar Minuten hin. Der Kollege grinst.

Produktivere Arbeit

Wenig später stehe ich aber wieder: Das tut gut und beflügelt meine Gedanken – zumindest habe ich das Gefühl, plötzlich produktiver zu arbeiten. Und seltsamerweise fühle ich mich auch am Abend weniger ausgepowert als nach einem regulären Tag im Büro. Sitzen in der U-Bahn am Heimweg? Nicht nötig.

Aber Achtung: Der Nachmittagsdurchhänger kommt auch bei der Steharbeit – und er lässt sich mit Kaffee nur bedingt in Schach halten. Spätestens um 16 Uhr stellt sich in den ersten Tagen ein leichtes Ziehen im unteren Rücken ein, das sich langsam ausbreitet. Ich ertappe mich plötzlich dabei, vornübergebeugt am Stehtisch zu lümmeln, wenn ich E-Mails lese. Das macht die Schmerzen nicht besser. Nach einer kurzen Sitzpause geht es aber wieder.

Experten empfehlen, Steh- und Sitzarbeit zu kombinieren. Selbst wenn es keinen Stehtisch gibt, lassen sich bestimmte Tätigkeiten – Lesen zum Beispiel oder Telefonieren – gut im Stehen – oder sogar im Gehen – erledigen. Apropos: Im Internet bin ich bei meiner Recherche über Schreibtisch-Laufbänder gestolpert. Ja, wirklich: Dabei steht der Stehtisch über einem Laufband. Artikel beim gemächlichen Gehen schreiben: Das wäre auch einen Versuch wert.

Bis dahin heißt es für mich aber nun zurück an meinen herkömmlichen Schreibtisch. Denn der Sport-Kollege braucht seinen Stehtisch wieder. Schade für mich, aber gut für meinen Sitznachbarn, dem ich platzbedingt förmlich im Nacken gesessen bin. Er sieht mich lieber sitzen. Ich habe mir aber schon fix vorgenommen, in Zukunft im Büro öfter einmal die Perspektive zu wechseln. (Franziska Zoidl, 11.6.2017)