Washington – Die US-Notenbank Fed steht kurz vor der zweiten Zinserhöhung in diesem Jahr. Experten rechnen nach jüngsten Signalen der Währungshüter fest damit, dass der Schlüsselsatz für die Versorgung der Banken mit Geld am Mittwoch um einen Viertel-Prozentpunkt angehoben wird – auf die dann neue Spanne von 1,0 bis 1,25 Prozent.

Nach jüngsten Daten des Fed-Barometers der Terminbörse CME taxieren Händler die Wahrscheinlichkeit dafür auf 98 Prozent. Auch wenn die Wirtschaft zwischen New York und San Francisco einen Kaltstart ins Jahr hingelegt hat, spricht die seit 16 Jahren niedrigste Arbeitslosenquote für ein Straffen der Zügel.

"Damit ist ein Niveau erreicht, das die Fed mit Vollbeschäftigung gleichsetzt. Der nächste geldpolitische Schritt nach oben kommt nun. Und die Fed wird voraussichtlich im Dezember nachlegen", prophezeit der Chefvolkswirt der deutschen Commerzbank, Jörg Krämer. Er erwartet zudem für 2018 noch drei Anhebungen. Damit dürfte die Schere zum Euro-Raum weiter aufgehen, wo EZB-Chef Mario Draghi weiter auf den Nullzins setzt.

Vollbeschäftigung und stabile Preise

Hauptziel der amerikanischen Notenbank sind neben der Vollbeschäftigung stabile Preise. Mit einer Erwerbslosenquote von zuletzt 4,3 Prozent hat sie das erste Ziel zwar praktisch erreicht. Beim zweiten hakt es dagegen noch, da die Inflation hartnäckig unter der angestrebten Idealmarke von zwei Prozent bleibt. Doch der immer angespanntere Arbeitsmarkt und anziehende Importpreise sprechen aus Sicht Krämers dafür, dass der Inflationsdruck bald zunehmen dürfte. Ob die Währungshüter dies ähnlich sehen, wird sich am Mittwochabend zeigen. Dann stehen die Prognosen der Notenbank zur weiteren Preisentwicklung und Konjunktur an.

Mit noch größerer Spannung warten Fed-Beobachter auf die Vorhersagen der Währungshüter zum weiteren Verlauf der Zinsen. Im März hatten sie die Zügel zuletzt gestrafft und zwei weitere Erhöhungen für 2017 ins Auge gefasst. Da die amerikanische Wirtschaft zu Jahresbeginn jedoch nur um 0,3 Prozent zum Vorquartal zugelegt hat und damit selbst der Euro-Zone hinterher hinkte, sind Zweifel an der Entschlossenheit der Notenbank aufgekommen. "Das Wachstum geht nicht gerade durch die Decke. Doch es gibt gute Gründe dafür, zügig mit einer Normalisierung des Zinsniveaus fortzufahren", sagt Ökonom Patrick Franke von der Landesbank Hessen-Thüringen Helaba. Denn es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich die Vollauslastung am Arbeitsmarkt in höheren Löhnen und Preisen niederschlage.

Keine Überhitzung der Wirtschaft riskieren

Keinesfalls will die Notenbank eine Überhitzung der Wirtschaft riskieren, falls die von US-Präsident Donald Trump angekündigte große Steuerreform und massive Investitionen in die Infrastruktur für einen zu starken Schub sorgen sollten. Die Industriestaaten-Organisation OECD geht davon aus, dass die Haushaltspolitik 2018 durchaus Rückenwind für die Wirtschaft entfachen wird, sollten Einkommens- und Unternehmenssteuern sinken: "Dies wird den privaten Verbrauch und die Investitionstätigkeit ankurbeln", so die OECD-Volkswirte in ihrem jüngsten Wirtschaftsausblick.

Auf dem Weg zu einer Normalisierung der Geldpolitik will die Notenbank auch ihre im Zuge der Finanzkrise stark angewachsene Bilanzsumme zurechtstutzen. "Fed-Chefin Janet Yellen könnte neue Hinweise auf einen möglichen Zeitplan geben", so Fed-Beobachter Elmar Völker von der Landesbank LBBW. In den Nachwehen der Finanzkrise hatte die Fed zur Stützung der Wirtschaft massiv Wertpapiere aufgekauft und ihr Portfolio so auf 4,5 Billionen Dollar (4,03 Billionen Euro) ausgeweitet. Vor Ausbruch der Krise in den Jahren 2007/08 war es mit 800 Milliarden Dollar (715,82 Milliarden Euro) noch vergleichsweise überschaubar. Die Fed will noch dieses Jahr mit dem Abschmelzen beginnen.

Bei entsprechend günstiger Konjunktur halten die meisten Währungshüter einen solchen Schritt für angemessen. Dieses Mammutvorhaben dürfte die Notenbank um den Jahreswechsel 2017/18 anpacken, sagt Bankhaus-Lampe-Chefvolkswirt Alexander Krüger voraus: "Doch sie wird viel Zeit dafür benötigen. Daher kann von einer Normalisierung der Geldpolitik noch keine Rede sein." (APA, Reuters, 10.6.2017)