London – Nach der Wahlschlappe der Konservativen Partei der britischen Premierministerin Theresa May haben sich die Tories im Grundsatz auf ein Regierungsbündnis mit der nordirisch-konservativen Partei DUP verständigt. Details der Vereinbarung sollten am Montag auf einer Kabinettssitzung besprochen werden, berichtete unter anderem die Agentur PA am Samstagabend.

Die angeschlagene Premierministerin, deren Politik- und Führungsstil zunehmend infrage gestellt wird, ist im Unterhaus auf Unterstützung angewiesen. Allerdings wollen die beiden Parteien in den nächsten Tagen noch weitere Gespräche führen, um die Vereinbarung "endgültig" unter Dach und Fach zu bringen, verlautete am frühen Sonntagmorgen nach Angaben der BBC aus der Downing Street.

Gespräche "bisher positiv"

May habe am Samstagabend mit den Unionisten gesprochen, "um über den Abschluss einer Vereinbarung zu diskutieren, wenn das Parlament kommende Woche seine Arbeit wieder aufnimmt", sagte ein Regierungssprecher Sonntag früh. Die DUP erklärte, die Gespräche seien bisher positiv verlaufen.

Zuvor hatte ein Regierungssprecher bereits eine Einigung verkündet: Die beiden Seiten hätten sich auf die Prinzipien eines Rahmenvertrags verständigt. Die DUP hatte sich demnach mit den großen Linien der Regierungspolitik einverstanden erklärt und ihre Unterstützung zugesagt.

Williamson in Belfast

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Konservativen, Gavin Williamson, war am Samstag nach Belfast gereist, um Gespräche mit der Democratic Unionist Party (DUP) zu führen. Sowohl die Opposition als auch Abgeordnete aus Mays konservativer Tory-Partei verwiesen auf Vorbehalte der DUP gegen Homo-Ehe, Abtreibung und Klimaschutz. Die Aussicht auf einen Deal mit der DUP sei "schaurig", twitterte die Labour-Abgeordnete Jo Stevens.

Zuvor hatte der Konservative und ehemalige Nordirland-Minister Owen Paterson der BBC gesagt, dass seiner Partei eine Debatte über kürzere Abtreibungsfristen bevorstehen könne. Die Vorsitzende der Tories in Schottland, die in der Wahl stark hinzugewonnen hatten, holte sich bei May eine Garantie über die Rechte von Schwulen und Lesben ein. Ruth Davidson sagte, May habe ihr feste Zusagen gemacht.

DUP verspricht Zurückhaltung

Aus DUP-Kreisen verlautete jedoch, dass sich die Partei in gesellschaftlichen Fragen zurückhalten und stattdessen mehr Geld für Nordirland und Privilegien für Veteranen fordern werde. Politische Sprengkraft könnte das Begehren haben, dass britische Soldaten besser vor einer Strafverfolgung wegen der im Nordirland-Konflikt begangenen Tagen geschützt werden sollen. Die katholische Sinn Fein pocht nämlich darauf, dass Ex-Soldaten und frühere irisch-nationalistische Guerilla-Kämpfer gleich behandelt werden müssen.

Katholisch-republikanische Medien in Nordirland kritisierten am Samstag, ein Abkommen mit der DUP könne unionistische Kräfte bevorzugen und das zerbrechliche politische Gleichgewicht in dem Landesteil gefährden. Die Regionalregierung in Nordirland war im Jänner nach einem Streit über ein missglücktes Förderprogramm für Ökoenergie zerbrochen.

May hatte die vorgezogene Neuwahl eigentlich mit dem Ziel ausgerufen, ihre Regierungsmehrheit vor Beginn der Verhandlungen über den Austritt der Briten aus der EU zu verbreitern. Stattdessen verloren die Konservativen aber ihre absolute Mehrheit und sind nun auf einen Bündnispartner angewiesen.

Wichtigste Berater zurückgetreten

Nach der Wahlniederlage waren am Samstag die beiden wichtigsten Berater Mays zurückgetreten. Nick Timothy und Fiona Hill reagierten damit auf heftige Kritik am Wahlkampf der Tories aus den eigenen Reihen. "Ich übernehme die Verantwortung für meinen Anteil an diesem Wahlkampf", schrieb Timothy, der bisherige Stabschef Mays, am Samstag in einem Blog der Tories. Er gilt als hauptverantwortlich für einen der größten Missgriffe im Wahlkampf: den Plan für eine Reform der Pflegefinanzierung, die als "Demenzsteuer" gebrandmarkt wurde und die Premierministerin zu einer Kehrtwende mitten im Wahlkampf motivierte.

Weiterhin offen ist, was der künftige Partner der Tories im Parlament für seine Unterstützung fordert. Die DUP ist strikt gegen eine undurchlässige EU-Außengrenze zwischen Nordirland und Irland nach dem EU-Austritt der Briten. Nordirland befürchtet wirtschaftliche Nachteile und ein Wiederaufflammen des Konflikts zwischen proirischen Republikanern und probritischen Unionisten.

May dagegen hat die Kontrolle über die eigenen Grenzen bisher als wichtigstes Ziel der Verhandlungen mit der EU genannt und ist bereit, dafür die Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion aufzugeben. Die Verhandlungen sollen bereits am 19. Juni beginnen.

Gegner eines sogenannten harten Brexits, wie er May vorschwebt, sehen sich durch die Parlamentswahl gestärkt. Die Labour Party, deren Vorsitzender Jeremy Corbyn für eine enge Bindung an die EU nach dem Austritt wirbt, konnte unerwartet viele Sitze hinzugewinnen.

Corbyn rechnet mit Neuwahlen

Der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn rechnet schon bald mit erneuten Wahlen. "Es ist gut möglich, dass es noch eine Wahl im Jahresverlauf oder Anfang nächsten Jahres geben wird", sagte der Chef der Labour-Partei am Sonntag der BBC. Dies könne positiv sein, weil Großbritannien sonst eine Phase der Instabilität drohe. Seine Partei sei bereit für einen weiteren Wahlkampf. (APA, 11.6.2017)