Verfassungsgerichtshofspräsident Gerhart Holzinger: Immer nach neuen Gesetzen zu rufen gefährdet das Vertrauen in den Rechtsstaat.

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Wien – Verfassungsgerichtshofspräsident Gerhart Holzinger hält es für sehr problematisch, wenn "immer wenn etwas passiert im In- oder Ausland" neue Gesetze angekündigt oder beschlossen werden. Den Menschen den Eindruck zu vermitteln, mit einem Gesetz wären die Probleme zu lösen, sei auf Dauer für den Rechtsstaat äußerst belastend, stellte Holzinger im Interview mit der APA fest.

Auf das Sicherheitspaket – um dessen Beschluss vor der Nationalratswahl die Regierung gerade ringt – ging Holzinger nicht direkt ein. Aber er warnte vor der Attitüde, auf jeden Terrorakt oder spektakulären Kriminalfall mit verschärften Gesetzen zu reagieren – ohne zu prüfen, ob die bestehenden Regelungen ausreichen. Freilich sei es manchmal mühsam, Gesetze konsequent umzusetzen. Welche Gesetze mangelhaft umgesetzt werden, wollte Holzinger nicht näher erörtern – unter Hinweis darauf, dass der Verfassungsgerichtshof in der Sommersession gerade das Staatsschutzgesetz prüft.

Vertrauen in Rechtsstaat gefährdet

Immer nach neuen Gesetzen zu rufen gefährde das Vertrauen in den Rechtsstaat, merkte der Präsident an. Er unterstrich, dass ihm "selbstverständlich die Sicherheit von Land und Menschen am Herzen liegt". Man müsse sich jedoch im Klaren sein, dass der Staat absolute Sicherheit nicht gewährleisten kann. Dies sei nicht einmal den "grauenhaftesten Terrorregimes der Nationalsozialisten und des Stalinismus" gelungen. Ein demokratischer Rechtsstaat und eine offene Gesellschaft müssten sich um die heikle Balance zwischen Freiheit und Sicherheit bemühen.

Kein neues Gesetz – in dem Fall also keine Wahlrechtsreform – ist aus Holzingers Sicht nötig, um die Nationalratswahl am 15. Oktober ordnungsgemäß abzuwickeln. Der Verfassunsgerichtshof habe die Bundespräsidenten-Stichwahl nicht wegen mangelhafter Regelungen aufgehoben, sondern die Vorschriften als verfassungskonform bestätigt.

Man dürfe das Erkenntnis auch nicht so verstehen, dass die Bestimmungen "nicht praktikabel" gewesen wären. Denn der Verfassungsgerichtshof sei nicht dazu da, "Ratschläge zu geben, wie man eine Wahl regeln soll" – sondern stecke nur den verfassungsrechtlichen Rahmen ab, in dem der Gesetzgeber dann praktikable Regelungen vornehmen müsse.

Keine Wahlergebnisse vorzeitig weitergeben

Konkret hat der Verfassungsgerichtshof die Briefwahl und auch die zum Teil sehr detaillierten Regelungen für deren Auszählung bestätigt. Werden diese bei der Nationalratswahl eingehalten, "muss man keine Sorge haben, dass eine Anfechtung zur Aufhebung führen könnte". Drohen würde dies allerdings, wenn die Wahlbehörden Ergebnisse vor Wahlschluss an Medien oder Meinungsforscher weitergeben. In Zeiten der Sozialen Medien könne dies nicht toleriert werden, bekräftigte Holzinger den zweiten Grund für die Aufhebung der Bundespräsidentenwahl im Vorjahr. (APA, 11.6.2017)