Linz – Traditionell hat jede Partei ihre Kernklientel – Gruppen, für die sie einen besonderen Vertretungsanspruch erhebt. So ist die SPÖ mit ihrer alternden, teilweise noch in den Kreisky-Jahren politisierten Wählerschaft dieser Zielgruppe verbunden; sie wird auch stärker als jede andere Partei als die Vertretung der Pensionisten gesehen: 42 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten sehen die Sozialdemokraten als besonders engagiert für die Senioren.
Andererseits zeigt die Market-Umfrage vom Mai, dass die Pensionisten eine Gruppe sind, für die es relativ wenig politisches Engagement gibt: 21 Prozent meinen explizit, dass sich gar keine Partei der Senioren annimmt, weiteren 15 Prozent fällt auf Anhieb keine Partei ein, die sich da großartig engagieren würde.
Marktforscher David Pfarrhofer erklärt dazu: "Wir sehen große Bevölkerungsgruppen, deren Interessen offensichtlich politisch nicht wahrgenommen werden – und das ist seit einer vergleichbaren Umfrage im Jahr 2009 wesentlich deutlicher hervorgetreten."
Vergessene Arbeitslose
Ganz deutlich wird das im Hinblick auf die Arbeitslosen: Vor acht Jahren konnten 21 Prozent keine Partei identifizieren, die sich dieser Gruppe annehmen würde, der Wert hat sich inzwischen auf 39 Prozent fast verdoppelt. Während die SPÖ ihren Wert als Pensionistenpartei fast halten konnte (er fiel nur von 45 auf 42 Prozent), verlor sie als Anwalt der Arbeitslosen von 41 auf 32 Prozent sehr deutlich.
Dass die SPÖ einmal die Arbeiterpartei schlechthin war, ist ebenfalls relativiert: Hier sackte der Wert von 42 Prozent auf 37 Prozent ab – bei der FPÖ stieg er dagegen von 20 auf 31 Prozent. Die ÖVP wird praktisch gar nicht als Interessenvertreterin der einfachen Arbeiter gesehen, ihr Wert fiel von 21 auf drei Prozent.
Bauern und Beamte sind ÖVP-Klientel
Die ÖVP wird weiterhin als die Partei der Bauern (66 Prozent) und der Beamten (44 Prozent) gesehen – auch das allerdings schwächer ausgeprägt als vor acht Jahren: Damals sahen noch 75 Prozent die ÖVP als Vertreterin bäuerlicher Interessen, 47 Prozent trauten ihr zu, die Beamten zu repräsentieren. Ähnlich ist der Rückgang im Hinblick auf die Vertretung der Besserverdiener: Hier fiel die ÖVP von 56 auf 51 Prozent zurück, was statistisch nicht sehr signifikant ist, aber in einen Gesamttrend passt: "ÖVP und SPÖ wollen zwar sogenannte 'Catch all'-Parteien sein, aber sie verlieren breit das Profil, für einzelne Gruppen da zu sein. Bei der Vertretung einfacher Arbeiter springt dann die FPÖ ein – in anderen Bereichen gelingt das auch den Freiheitlichen nicht", analysiert Pfarrhofer.
Besonders im Stich gelassen würden die Interessen von Jugendlichen – diese zu vertreten wurde Ende des vorigen Jahrzehnts vor allem den Freiheitlichen zugetraut, die FPÖ brachte es auf stolze 42 Prozent. Inzwischen ist diese Positionierung mit 19 Prozent nicht einmal mehr halb so stark.
Wo die Grünen punkten
Die Grünen konnten einen Teil dieses Rückgangs auffangen – 2009 wurden sie von nur neun Prozent als Vertretung der Jugendinteressen gesehen, heute sind sie für 17 Prozent die Partei der Jugend. Die Wahlberechtigten unter 30 nennen dennoch weitaus häufiger die Freiheitlichen als die Partei der Interessen ihrer Generation. Insgesamt aber sehen 37 Prozent die Jugendlichen ohne Vertretung, vor acht Jahren waren es nur 17 Prozent.
Ähnlich ist es bei den Fraueninteressen. Diese sehen die Befragten immer weniger bei den drei großen Parteien gut aufgehoben – während die Grünen ihren Wert von 23 auf 30 verbessern konnten. Übrigens sehen Männer die Fraueninteressen viel stärker bei Grünen (und in geringerem Maß bei der SPÖ) vertreten als die Frauen selbst.
21 Prozent der weiblichen Befragten sagen nämlich, dass die Fraueninteressen von keiner Partei vertreten würden, weitere 22 Prozent können oder wollen keine Partei nennen, die Frauenthemen vertreten würde.
Vergleichsweise gut vertreten sehen die Wahlberechtigten die Interessen von Zuwanderern: Hier konnten die Grünen von 40 auf 46 Prozent zulegen, die SPÖ verlor von 35 auf 24 Prozent. Die mit Sebastian Kurz ressortzuständige ÖVP allerdings wird hier nur von vier Prozent wahrgenommen. (Conrad Seidl, 12.6.2017)