Die russischen Fans hoffen, ...

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... dass Teamchef Stanislaw Tschertschessow mehr aus der Sbornaja herausholt als prominentere Vorgänger.

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Kurz vor dem Confederations Cup, der vom 17. Juni bis zum 2. Juli in Russland stattfindet, steigt das Fußballfieber im Land. Das überraschend deutliche 3:0 der vom Ex-Innsbruck-Trainer Stanislaw Tschertschessow neuformierten Sbornaja im Testspiel gegen Ungarn und das folgende 1:1 gegen Copa-América-Sieger Chile am vergangenen Freitag haben Hoffnungen und Ängste zugleich geweckt. Hoffnungen, weil die Ungarn bei der EM im Vorjahr ja immerhin ins Achtelfinale vorstießen (am Samstag sich aber in Andorra mit 0:1 blamierten). Skepsis, weil sich mit Roman Sobnin einer der Leistungsträger der russischen Mannschaft verletzte.

Der 23-jährige gebürtige Sibirier war einer der Garanten für die diesjährige Meisterschaft von Spartak Moskau. Der Mittelfeldspieler brillierte in der Saison mit Spielübersicht, Tempo und Technik und galt nach der ebenfalls verletzungsbedingten Absage Alan Dsagojews als künftige Schaltzentrale in der oft stockenden russischen Offensive. Nun fällt er fast ein halbes Jahr aus.

Russische Fußballfans sind leiderprobt. Seit Jahren müssen sie mit Enttäuschungen bei großen Turnieren leben. 2008 feierte der Europameister von 1960 seinen letzten großen Erfolg mit dem dritten Platz bei der EM. Danach herrschte trotz teilweise illustrer (und fürstlich bezahlter) Trainer von Guus Hiddink bis Fabio Capello Tristesse auf dem Platz. Wie im Vorjahr, als die Sbornaja bei der EM in Frankreich völlig uninspiriert in der Vorrunde ausgeschieden war.

In einer Umfrage der Sportseite "Sport Express" prognostizierte mehr als die Hälfte der Leser auch beim diesjährigen Confed Cup ein frühes Aus noch in der Vorrunde, wo sich Russland mit Mexiko, Neuseeland und Europameister Portugal zu messen hat. Auf den Turniersieg tippten hingegen weniger als zehn Prozent. Der Kartenverkauf für das Turnier läuft eher schleppend.

Aufgabe Turniersieg

Der für Sport zuständige Vizepremier Witali Mutko gibt sich dennoch kämpferisch: "Die Aufgabe jedes Teams bei jedem Turnier ist es zu siegen. Warum sollte sie sonst überhaupt den Kampf aufnehmen?", fragte er rhetorisch. Allerdings diene der Confederations Cup natürlich in erster Linie der Vorbereitung und dem Einspielen auf die Heimweltmeisterschaft im kommenden Jahr, räumte er ein.

Reibungslos ist die Vorbereitung bisher nicht gelaufen, und das nicht nur sportlich: Schon kurz nach der Vergabe 2008 – einem weiteren Prestigeerfolg für den Kreml nach der Olympia-Zusage für Sotschi 2014 – tauchten Spekulationen über Mauscheleien auf. Die Untersuchungen führten schließlich zum Sturz des Weltverbandspräsidenten Sepp Blatter und zur Aufdeckung weitverbreiteter Korruptionsschemen innerhalb der Fifa. Die WM durfte Russland aber am Ende ebenso behalten wie das gleichfalls umstrittene Katar die Endrunde 2022. Auch der infolge der Ukraine-Krise aus politischen Kreisen in Europa und den USA geforderte Boykott der WM in Russland scheint derzeit vom Tisch.

Der Druck, der auf Moskau lastet, ist dennoch extrem hoch. Immerhin hat sich der Kreml das Megaevent viel kosten lassen. Die ursprünglichen Planungen lagen sogar bei umgerechnet 40 bis 50 Milliarden Euro. Russland werde das Championat "auf höchstem Niveau ausgerichtet, alle nötige Infrastruktur rechtzeitig aufgebaut", versprach Präsident Wladimir Putin 2010.

Krise und Rubelsturz

Doch Wirtschaftskrise und Rubelsturz haben die hochfliegenden Entwicklungspläne deutlich zusammengestutzt. Der milliardenschwere Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke von Moskau nach Kasan, die eigentlich zur WM fertig sein sollte, ist immer noch in der Planungsphase. Bei der Mautautobahn von Moskau nach St. Petersburg setzt Verkehrsminister Maxim Sokolow darauf, dass der Asphalt gerade noch rechtzeitig trocken wird.

Trotzdem hielt der Kreml am logistisch anspruchsvollen Konzept der Austragung in elf Städten – von Kaliningrad bis Jekaterinburg – fest. Auch beim Stadionbau ging dabei vieles im letzten Moment. Die ufoförmige Zenit-Arena in St. Petersburg, wo die Sbornaja die Eröffnung des Confed Cups bestreitet, wurde noch vor wenigen Wochen als unbespielbar eingestuft, wonach ein neuer Rasen verlegt werden musste. In anderen Städten wie Samara, Nischni Nowgorod, Wolgograd und Kaliningrad wird sogar noch gebaut.

Trotz der Verzögerungen bleibt Mutko optimistisch. "Es gibt keinen Zweifel daran, dass Moskau sowohl den Confederations Cup als auch die Fußball-WM auf allerhöchstem Niveau ausrichten wird", wiederholte er die Ankündigung Putins. Die ersten Teams seien schon eingetroffen. Mit Unterbringung und Transport habe es keine Probleme gegeben. Es könne losgehen, verkündete er ungeduldig. Auch die Russen sind gespannt auf die Standortbestimmung ein Jahr vor der WM. (André Ballin aus Moskau, 12.6.2017)