Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) verkündete Ende Mai mit Stolz die Einführung einer gesetzlichen Schuldenbremse, die "im nationalen und internationalen Vergleich strenger und klarer geregelt als andere Schuldenbremsen" sei. Konkreter Inhalt dieser Schuldenbremse ist, dass in jedem Verwaltungsjahr nicht mehr ausgegeben werden darf, als eingenommen wird. Ausnahmen sollen für außergewöhnliche Notsituationen sowie Naturkatastrophen vorgesehen werden.

Begründet wird der Schritt mit der vermeintlichen Notwendigkeit der Vermeidung von Neuverschuldung, dem rascheren Schuldenabbau sowie der nachhaltigen Gleichbehandlung der Generationen. Gerade die Gleichbehandlung von Generationen ist angesichts des großen intergenerationalen Transfers in unserer Gesellschaft hin zu älteren Bevölkerungsschichten besonders bedeutsam. Das große Risiko hinter der Einführung einer wie in Oberösterreich ausgestalteten Schuldenbremse ist jedoch, dass am Ende durch eine Reduktion des wirtschaftlichen Wachstumspotenzials des Landes genau das Gegenteil von dem erreicht wird, was zuvor geplant war.

Nachteile für Wirtschaftswachstum

Um zu verstehen, warum sich eine derart strenge Schuldenbremse nachteilig auf das Wachstumspotenzial eines Landes auswirken kann, ist es zuerst notwendig, sich von der betriebswirtschaftlichen Sichtweise von öffentlichen Gebietskörperschaften (Bund, Länder) als reinen Unternehmen zu verabschieden. Denn Bund und Länder sind mehr als nur Unternehmen: Durch Besteuerung und Transferleistungen verteilen sie Vermögen innerhalb der Gesellschaft, – zumeist – von wohlhabenderen hin zu ärmeren Bevölkerungsteilen um.

Und sie sorgen zusätzlich auch für eine Umverteilung von Vermögen innerhalb des Wirtschaftssystems als Ganzes über Zeit: Durch Besteuerung werden Einnahmen erzielt, die als Landes- oder Staatsausgaben für die zahlreichen Aufgaben von Bund und Ländern wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen. Im Idealfall funktioniert das so, dass in wirtschaftlich guten Zeiten Einnahmereserven geschaffen werden, die in wirtschaftlich schlechten Zeiten dann wieder aufgebraucht werden.

Landeshauptmann Stelzer präsentierte die Einführung der Schuldenbremse.
Foto: APA/FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUMMAYR

In der Praxis hat vor allem die Sparsamkeit in wirtschaftlich guten Zeiten nie so gut funktioniert, wie man sich das in der makroökonomischen Theorie gerne gewünscht hätte. Das ändert jedoch nichts daran, dass Bund und Länder in wirtschaftlich schlechten Zeiten immer mehr ausgegeben als sie eingenommen haben. Mangels ausreichend großer Einnahmenpolster gingen diese Ausgaben zumeist auf das Konto größerer Budgetdefizite, und somit wachsender Landes- beziehungsweise Staatsschulden. Wie praktisch überall hat die Wirtschaftskrise in den Jahren nach 2007 auch in Oberösterreich tiefe Spuren hinterlassen. Jedoch hatte sich der Schuldenstand gerade in den letzten Jahren wieder stabilisiert.

Staatsausgaben als automatische Stabilisatoren

Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass den Ausgaben der öffentlichen Hand gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten große Bedeutung als sogenannte "automatische Stabilisatoren" der Wirtschaft zuteil wird. Durch die im Vergleich höheren Staatsausgaben werden die Effekte von Wirtschaftskrisen deutlich gemindert. Die Abschwungphasen werden durch vermehrte Staatsausgaben kompensiert und fallen dadurch weniger gravierend und insgesamt kürzer aus. Damit werden auch wesentliche Startvorteile für die nächste Boomphase im Wirtschaftszyklus geschaffen. Insgesamt lassen sich auf diesem Weg ein höheres Wirtschaftswachstum und Volkseinkommen sowie geringere Arbeitslosenzahlen erzielen.

Sinn macht eine Regelung für gesetzliche Schuldenbremsen – wenn überhaupt – nur dann, wenn sich der Berechnungszeitraum für die Neuverschuldung zumindest auf einen vollen Konjunkturzyklus erstreckt, also sowohl auf eine volle wirtschaftliche Boom- als auch Rezessionsphase. In der Art, wie die Schuldenbremse nunmehr vom Land Oberösterreich geplant wird, ist sie nichts Anderes als ein Verzicht auf fast alle wirtschaftspolitischen Instrumente zur Steuerung des Wirtschaftswachstums auf Landesebene.

Das bedeutet, dass es bei der nächsten Wirtschaftsflaute in Oberösterreich mehr Arbeitslose geben wird, mehr Personen, die Schwierigkeiten haben werden, nach der Arbeitslosigkeit in den Arbeitsmarkt zurückzufinden, also insgesamt auch eine höhere Langzeitarbeitslosigkeit. Damit werden in weiterer Folge auch wieder die Ausgaben des Landes Oberösterreich für die Mindestsicherung steigen, womit zukünftige Kürzungen der Sozialausgaben bereits wieder vorprogrammiert sind.

Ein Blick in das Grundlagenlehrbuch für Makroökonomie hätte genügt, um solche wirtschaftspolitischen Fehltritte zu vermeiden. Aber vielleicht geht es bei der Schuldenbremse am Ende auch mehr um die Show, als um Inhalte. (Michael Radhuber, 12.6.2017)

Links