Bild nicht mehr verfügbar.

Oppositionspolitiker und Kreml-Kritiker Alexej Nawalny rief zu landesweiten Protesten auf – und wurde danach festgenommen.

Foto: evgeny feldman/pool photo via ap

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin wurde festgenommen.

Foto: REUTERS/Sergei Karpukhin

Mehr als 100 Menschen wurden insgesamt am Montag festgenommen.

Foto: APA/AFP/STR

Mit der weiß-blau-roten russischen Trikolore und gelben Quietschentchen gegen den Kreml: In rund 200 russischen Städten haben am Montag Demonstranten gegen die Korruption in der russischen Führung protestiert. Unter der Losung "Wir wollen Antworten" forderten sie die Aufklärung der im März von Alexej Nawalny geäußerten Korruptionsvorwürfe gegen Premier Dmitri Medwedew. In einem inzwischen millionenfach angeklickten Video hatte der Oppositionsführer, der um seine Zulassung für die Präsidentenwahl 2018 kämpft, Medwedew beschuldigt, teure Villen, Landgüter, Weinberge und Yachten zu besitzen.

Dabei hatte Nawalny unter anderem über ein Entenhäuschen im künstlichen Teich einer angeblichen Luxusimmobilie Medwedews gelästert. Viele Demonstranten nahmen diese Vorlage dankbar auf und machten die Ente zum Symbol ihrer Proteste, denn während Nawalny inzwischen vom in dem Video ebenfalls der Korruption beschuldigten Oligarchen Alischer Usmanow geklagt wurde, hat die Regierung bis heute nicht auf die Vorwürfe der Demonstranten reagiert.

Dennoch deutete am Montag eigentlich alles auf einen entspannten Tag für die russische Führung hin: Die staatlichen Nachrichtenagenturen vermeldeten die Glückwünsche zum Nationalfeiertag von Kim Jong-un an Wladimir Putin. Das gute Wetter lockte viele Städter zum verlängerten Wochenende auf die Datscha. Und selbst mit der Opposition schien ein Kompromiss gefunden. Vielerorts genehmigte die Obrigkeit die geplanten Kundgebungen; freilich außerhalb des Stadtzentrums.

Doch einen Tag vor der Kundgebung in Moskau verlegte Nawalny kurzerhand den Demonstrationsort. Statt des genehmigten Sacharow-Prospekts außerhalb des städtischen Gartenrings wählte er die Edel-Bummelmeile Twerskaja vor dem Kreml. Die Planänderung begründete er mit Behinderungen beim Bühnenaufbau. Unternehmen, die Tontechnik für die Übertragung der Reden zur Verfügung stellen sollten, wurden von der Obrigkeit unter Druck gesetzt, die Veranstaltung zu boykottieren, sagte Nawalny. Damit sei die Absprache mit den Behörden hinfällig.

Damit war klar, dass die Aktion einen ähnlich scharfen Charakter annehmen würde wie im März, als die Polizei allein in Moskau rund 1.000 Demonstranten festnahm. Moskauer Stadtverwaltung und der Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, sprachen unisono von einer "Provokation". "Wer bereit ist, an diesen Aktionen teilzunehmen, dem müssen wir nichts erklären; die Leute verstehen voll und ganz, wohin sie gehen und wofür", wies der Oppositionspolitiker Wladimir Milow gegenüber dem STANDARD Vorwürfe zurück, dass die Opposition ihre Anhänger bewusst in den Konflikt treibe.

Die Polizei reagierte hart, ging dabei aber vor allem gezielt gegen die Anführer der Proteste vor. Nawalny wurde bereits zu Hause festgenommen. Er wurde noch Montag Abend zu 30 Tagen Ordnungshaft wegen wiederholten Verstoßes gegen das Demonstrationsrecht verurteilt. Ilja Jaschin, ein weiterer Oppositionspolitiker, wurde als einer der ersten an der Twerskaja festgesetzt. Daneben griffen sich die Sicherheitskräfte zunächst einzelne Demonstranten, die Plakate trugen.

Trotzdem gingen die zumeist jugendlichen Demonstranten nicht auseinander. Die Aktion blieb dabei größtenteils friedlich, die Menschen reagierten lediglich verbal mit "Schande"-Rufen auf die Festnahmen. Nach Medienberichten wurde aber auch einem Polizisten Pfefferspray ins Gesicht gesprüht.

Zweischneidiges Schwert

Am Ende griff die Polizei zu Massenfestnahmen, um die Demonstration aufzulösen. Laut Opposition wurden in Moskau 700, in Petersburg rund 500 Personen festgenommen. In St. Petersburg hatten die Veranstalter ebenfalls kurzfristig den Kundgebungsort auf das symbolträchtige Marsfeld verlegt.

Für Nawalny ist die Verschärfung des Konflikts ein zweischneidiges Schwert. Medial konnte er durch den Polizeieinsatz, den der Kreml eigentlich verhindern wollte, punkten. Andererseits fand seine kurzfristige Planänderung auch in Oppositionskreisen nicht uneingeschränkte Zustimmung. Ein Teil der Demonstranten blieb daher beim ursprünglichen Kundgebungsort – was auch die Zersplitterung der Opposition in Russland demonstriert. (André Ballin aus Moskau, 12.6.2017)