Ohne Verschleißerscheinungen: Placido Domingo.

Foto: Michael Poehn

Wien – Die Wiener Domingo-Festwochen anlässlich seines 50-jährigen Bühnenjubiläums an der Wiener Staatsoper, sie erstrecken sich über Monate, ja fast ein Jahr: Im Winter durfte der Sänger als Dirigent mal wieder das Staatsopernorchester führen (bei Puccinis Tosca mitunter in die Irre), Mitte Mai gab es das große Galakonzert mit und für den Weltstar, und im Theatermuseum kann man noch bis Anfang 2018 Eindrücke von der Wirkungskraft des ehemaligen Tenors in Wien sammeln.

Vergangenen Sonntag präsentierte der 76-Jährige mit dem Posa in Verdis Don Carlo nun schon seine vierte Bariton-Partie im Haus am Ring, nach dem Simon Boccanegra, dem Nabucco und Papa Germont. Und was soll man groß sagen, außer: Es war eine stimmige Sache. Die heldische Attitüde des Revolutions- und Königshausfreundes Rodrigo liegt dem Rastlosen, Domingos Auftrittselan brachte wieder Leben in die von Ramón Vargas (als schablonenhaftem Don Carlo) in recht statischer Weise bespielte Szene. Das von Verschleißerscheinungen verschont gebliebene Domingo-Timbre fesselte wie eh und je, lediglich der lange Atem ist im Lauf des halben Bühnenjahrhunderts etwas kürzer geworden.

Hochkaräter

An Domingos Seite agierten vokale Hochkaräter, am edelsten funkelte Krassimira Stoyanova. Ihre Elisabetta war ganz Makellosigkeit, war reiner, weich gefasster Glanz; herausragend ihre große Szene im vierten Akt. Vor einem guten Jahr gab eine fantastische Anja Harteros unter dem Dirigat von Marco Armiliato hier die Partie der Königin und war ganz hochnervöse, exaltierte Diva; Stoyanova blieb in jedem Moment eine Dame.

Anstelle des feurigen Armiliato leitete Myung-Whun Chung die Unternehmung und ersetzte Pulverdampf und Körperlichkeit durch Weihrauch und spirituelle Tiefe. Das Blech beeindruckte mit seinen edel-majestätischen, kraftvollen Crescendi fast noch mehr als die Streicher, auch gab es viele wundervolle Details wie etwa die kurze Klage von Oboe und Fagott im ersten Akt bei der Szene von Don Carlo und Posa. Ein Geniestreich wie im letzten Jahr: das Cellosolo von Robert Nagy im dritten Akt.

Neben dem etwas übermäßig dröhnenden Ferruccio Furlanetto, der den Filippo wundervoll differenziert darstellte, war auch Elena Zhidkova in dieser dreieinhalbstündigen Ausstellung von Schönheit und Wohlklang mit von der Partie: Die mit einem runden, durchsetzungsfähigen Mezzo beeindruckende Rollendebütantin gab die Eboli leider als spröde englische Gouvernante. Solide Ryan Speedo Green (als Carlo V.) und Alexandru Moisiuc (als Großinquisitor). Begeisterung und Blümchen für alle. (Stefan Ender, 12.6.2017)