Wird die Parteienlandschaft auch in Zukunft so bunt bleiben.

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Francis Fukuyama rief einst das Ende der Geschichte aus. Emmanuel Macron strebt immerhin das Ende der politischen Parteien an. Gerade erst drei Jahre in der Politik, hat er die gaullistisch-konservativen Republikaner und die Sozialisten, die beide das politische Leben der Fünften Republik seit 1958 bestimmten, im wahrsten Sinn auseinandergenommen. Gemäßigte Vertreter beider Seiten laufen – wie von einem Magnet angezogen – zu seiner Bewegung La République en Marche über; die Verbliebenen verlieren ihre Wahl oder ziehen sich schon vorher aus der Politik zurück.

Erstmals dominiert in Frankreich eine Kraft der Mitte. Das ist eine Zeitenwende für Frankreich: In dem stark polarisierten Land war das politische Zentrum bisher stets zwischen den Fronten aufgerieben worden, jetzt werden die Gaullisten und die Sozialisten von eben dieser Mitte verdrängt. Die Zukunft der Républicains und des Parti socialiste ist völlig ungewiss; von der Spaltung bis zur puren Auflösung ist alles möglich.

Beginnt damit die Ära der "Post-Politik" ohne Parteien, wie sie die belgische Politologin Chantal Mouffe nach Macrons Präsidentenwahl ausgemacht hat? Wohl kaum. Erstens konstituiert sich die Internetbewegung En Marche im Sommer selbst als Partei. Zweitens waren französische Parteien nie so solid wie etwa im deutschsprachigen oder anglophonen Raum, sondern als Wahlmaschinen der Präsidentschaftskandidaten konzipiert und damit entsprechend vergänglich.

Und drittens ist Macron ein sehr französisches Phänomen, das anders als etwa Tony Blairs "Dritter Weg" nicht so einfach ins übrige Europa exportierbar ist. Der 39-jährige Absolvent der Pariser Eliteverwaltungsschule ENA verbindet französischen Etatismus und Dirigismus mit liberal-technokratischem Gedankengut.

Wirklich neu ist diese Linie nicht. Das überparteiliche ENA-Denken haben in Paris viele Spitzenpolitiker verinnerlicht. Erst Macron hat es geschafft, daraus eine große Mitte-Bewegung zu zimmern. Inhaltlich hatten allerdings schon Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und zuletzt auch François Hollande einen ähnlich sozialliberalen, proeuropäischen Kurs verfolgt.

Macron steht für einen – überfälligen – Generationenwechsel in der Nationalversammlung. Politisch nimmt er aber nur eine Umschichtung der Gewichte in sein Lager vor. Sein Mittekurs ist für das polarisierte Frankreich ein Novum, nicht aber für Länder, wo heute schon Koalitionen regieren. "Macron hat alles geändert, damit sich nichts Wesentliches verändert", hat das der Chronist Laurent Joffrin am Montag beschrieben.

Harte Opposition

Doch auch wenn die Sozialisten und Republikaner mit sich selbst beschäftigt sein werden, muss sich Frankreichs neuer Präsident durchaus auf eine harte Opposition einstellen: Die antieuropäischen und globalisierungsfeindlichen Populisten werden ihn von rechts wie links in die Zange nehmen. Darin besteht der eigentliche Grabenbruch der französischen Politik. Und ihn wird auch Macron, der doch die politischen Gegensätze auflösen möchte, nicht so schnell beseitigen oder gar für sich entscheiden. (12.6.2017)