Kameraleute werden in der Regel nur tageweise beschäftigt.

Foto: istock

Wien – Gedacht war das Ganze als Hilfe für die Gastronomie. Damit die Wirte tageweise Aushilfen nicht sofort bei der Gebietskrankenkasse anmelden müssen, wurde mit Jahresbeginn die tägliche Geringfügigkeitsgrenze (zuletzt 31,92 Euro) abgeschafft. Seither entstehen vollsozialversicherungspflichtige Dienstverhältnisse nur noch, wenn man monatlich mehr als 425,70 Euro verdient. Zumindest theoretisch. In der Praxis gibt es nämlich Lücken im Gesetz, die für massiven Unmut in der Filmwirtschaft sorgen.

Wird ein Kameramann beispielsweise fünfmal im Monat mit einem Tagsatz von 300 Euro für unterschiedliche Aufträge gebucht, dann entstehen fünf verschiedene Beschäftigungsverhältnisse, die jeweils unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Der Auftraggeber muss also keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen (es fallen lediglich 1,3 Prozent für die Unfallversicherung an).

Ohne Versicherungsschutz

Der Arbeitnehmer steht dadurch zunächst ohne Versicherungsschutz da, obwohl er in diesem Monat 1500 Euro verdient hat. Bis Ende 2016 war das anders. Es galt: An jedem Tag, an dem man die tägliche Geringfügigkeitsgrenze überschritt, war man sofort versichert. Da der Versicherungsschutz auch noch drei Wochen danach galt, sind de facto nie Probleme entstanden.

Nun stellt sich erst im Jahr darauf bei der Abrechnung durch die Gebietskrankenkasse heraus, dass die Geringfügigkeitsgrenze im erwähnten Beispiel überschritten wurde. Der Arbeitnehmer (nicht der Arbeitgeber) muss dann die Beiträge nachzahlen. Und erst dann entsteht rückwirkend ein Krankenversicherungsschutz (und die Monate für die Pensionsversicherung werden gutgeschrieben).

Pauschale Strafzahlung

Für den Arbeitgeber gibt es eine Art pauschale Strafzahlung. Diese fällt mit 16,4 Prozent aber deutlich niedriger aus als die Dienstgeberbeiträge (22 Prozent). Für die Firmenchefs sind die separaten Einzelverträge also jedenfalls günstiger.

Die Sparte Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer bewirbt dieses Modell auch offensiv. "Wichtig zu beachten ist, dass Dienstnehmer in unregelmäßiger Folge und nur tageweise anzustellen sind", heißt es in einem Infoschreiben an die Mitglieder. Betont wird, dass die "jeweiligen Vertragsverhältnisse unabhängig voneinander zu gestalten" seien und dass "nicht bereits im Vorfeld hinausgehende weitere Arbeitstage oder Arbeitszeiten vereinbart werden dürfen".

Kein Arbeitslosengeld

Fabian Eder von der Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden berichtet im Gespräch mit dem STANDARD von sich häufenden Beschwerden. Zum einen müssten die Betroffenen Rücklagen bilden, um für die Nachzahlungen an die Krankenkassen gerüstet zu sein. Zum anderen gebe es aber auch erhebliche Nachteile bei der Arbeitslosenversicherung.

Im Gegensatz zur Krankenversicherung wird der Anspruch auf Arbeitslosenversicherung nämlich nicht rückwirkend zugesprochen, wenn sich herausstellt, dass man eigentlich über der Geringfügigkeitsgrenze lag. Dadurch werde es viel schwieriger, genug Zeiten für das Arbeitslosengeld zu erwerben, beklagt Eder.

Reparatur gefordert

Im Hauptverband kennt man die Probleme und drängt auf eine Reparatur. Man habe die Politik auch darauf hingewiesen, bevor die tägliche Geringfügigkeitsgrenze abgeschafft wurde, die Bedenken seien damals aber ignoriert worden.

Gehör finden die Filmschaffenden bei den Grünen. Arbeitnehmersprecherin Birgit Schatz will im Parlament einen Antrag auf Abschaffung der Möglichkeit von geringfügigen Jobs einbringen. Durch die aktuelle Regelung würden prekäre Arbeitsverhältnisse attraktiver gemacht. Sie befürchtet auch, dass es zu einem weiteren Missbrauch kommt. So könne ein Ein-Personen-Unternehmen beispielsweise mehrere Vereine gründen, sich dort geringfügig beschäftigen und so Beiträge sparen.

Die Zahl der geringfügig Beschäftigten steigt jedenfalls kontinuierlich. Laut einer aktuellen Anfrage der Neos gab es im Dezember 2016 bereits 352.221 solcher Beschäftigungsverhältnisse, um 45.000 mehr als noch 2011. Der Frauenanteil liegt bei mehr als 60 Prozent. (Günther Oswald, 13.6.2017)