Die Hawaii-Emperor-Kette im Pazifik ist fünfmal so lang wie die Alpen.

Illustration: GFZ (Torsvik et al.)
Illustration: GFZ (Torsvik et al.)

Potsdam – Die heutige hawaiianische Inselwelt bildet das Ende einer imposanten Struktur: Nämlich einer über 6.000 Kilometer langen Bergkette, die sich vom Grund des Pazifiks erhebt und dutzende Vulkane enthält – die sogenannte Hawaii-Emperor-Kette. Auffällig ist: Auf halbem Weg macht diese Bergkette einen scharfen Knick um etwa 60 Grad, Ursache bislang unbekannt. Von einer neuen Hypothese, wie dieser Knick zustande kam, berichtet nun das Helmholtz-Zentrum Potsdam.

Geologen teilten sich bislang im Wesentlichen in zwei Lager, um den Knick zu erklären: Das eine favorisierte eine abrupte Änderung der Bewegungsrichtung der Pazifischen Platte als Ursache. Das andere vermutete, dass eine Bewegung des Hotspots unter der Erdkruste, der die Vulkane befeuert, dahintersteckt. Die aktuelle Studie weist auf eine Synthese aus beiden Vermutungen hin.

Stichwort Mantelplumes

Viele vulkanische Inseln haben ihren Ursprung in so genannten Mantelplumes, also schlauchförmigen Strukturen im Innern der Erde, die heißes Gestein aus der Übergangszone zwischen Erdkern und Erdmantel in rund 3.000 Kilometern Tiefe nach oben transportieren. Durch Vulkane kann es schließlich bis an die Erdoberfläche gelangen.

Mantelplumes, manchmal auch "Hotspots" genannt, werden kaum von den tektonischen Platten beeinflusst, die über sie hinweggleiten. Diese Passage lässt im Lauf der Zeit über den Plumes lange, gerade Ketten von neuen Vulkanen entstehen. Die Kette, zu der auch Hawaii gehört, erstreckt sich inzwischen über rund 6.000 Kilometer. Der älteste und längst erloschene Vulkan ist der Detroit Seamount im Nordwestpazifik.

Plattenbewegung ja, aber ...

Den Knick konnten Geologen auf ein Alter von 47 Millionen Jahren datieren. "Die Ursache dafür war ein gravierender Wechsel der Bewegungsrichtung der Pazifischen Platte", sagt der Hauptautor der aktuellen Studie, Trond Torsvik von der Universität Oslo. Das würde eine Hypothese des US-Geophysikers Jason Morgan aus den 1970er-Jahren bestätigen. Allerdings benötigt sie eine Modifizierung.

"Ganz so einfach wie vor vierzig Jahren angenommen ist die Sache aber nicht", sagt Torsvik. Morgan war der erste, der Mantelplumes als Referenzpunkte für die Plattenbewegung nutzte. In seinem Modell wurden die Hotspots als ortsfest angesehen, der Knick in der Hawaii-Emperor-Kette ging folglich auf eine simple Richtungsänderung der Platte zurück. Doch diese Überlegung wurde seit den 1980er-Jahren zunehmend kritisiert.

Hotspot in Bewegung

"Seit den späten 1990er-Jahren war klar, dass Hotspots keineswegs so unverrückbar waren, wie man anfangs angenommen hatte", sagt der Potsdamer Forscher Bernhard Steinberger. Modelle für Strömungen im Erdmantel ließen erkennen, dass der Hotspot von Hawaii sich langsam nach Süden bewegt hat.

"Einzelne Studien haben postuliert, dass der Knick in der Vulkankette nicht durch eine Neuausrichtung der Pazifischen Platte entstand, sondern durch eine vergleichsweise schnelle Bewegung des Hotspots nach Süden in der Zeit vor 47 Millionen Jahren", so Steinberger. "Dieses Szenario hatte durchaus seinen Reiz, denn auf den angrenzenden tektonischen Platten fanden sich bisher keine Hinweise darauf, dass die Pazifische Platte damals plötzlich die Richtung geändert hat."

In der vorliegenden Studie zeigt das Team aber, dass sich der Hotspot mit unrealistisch hoher Geschwindigkeit von 42 Zentimetern pro Jahr bewegen hätte müssen – das wäre ein Vielfaches der üblichen Geschwindigkeit von Erdplatten. In der Folge hätte die Emperor-Kette in gerade fünf Millionen Jahren aufgebaut werden müssen, der Detroit Seamount wäre nur 52 Millionen Jahre alt. Dem steht zudem eine Datierung des Vulkans entgegen, die ein Alter von 80 Millionen Jahren ergab.

Kompromiss und schon die nächste Frage

Beide Faktoren müssen also zusammengespielt haben, lautet das Fazit der aktuellen Berechnungen. Der Knick um 60 Grad wurde hauptsächlich durch die Änderung der Bewegung der Pazifischen Platte hervorgerufen. Zusätzlich muss es aber eine gewisse Bewegung des Hotspots gegeben haben, sonst wäre die Vulkankette heute kürzer.

"Wenn diese Einschätzung den alten Streit befriedet und in der Fachwelt anerkannt wird, können wir uns der nächsten spannenden Frage widmen: Was genau hat eigentlich dazu geführt, dass die Pazifische Platte vor 47 Millionen Jahren ihre Richtung geändert hat?", denkt Torsvik bereits an die Zukunft. (red, 17. 6. 2017)