So klein wie ein Tetrapack mit Flügeln und ausgestattet wie ein fliegendes Labor: Ops-Sat soll Ende 2018 als erster Esa-Satellit ins All starten. Der neue Austro-Satellit Pretty wird ähnlich aufgebaut sein.

Foto: TU Graz

Graz/Wien – "Pretty" heißt der jüngste Neuzugang im Satelliten-Kindergarten der österreichischen Weltraumforschung. Sehr hübsch ist der Minisatellit nicht, bis jetzt existiert er aber auch nur auf dem Papier. Mit einer Größe von zehn mal zehn mal 30 Zentimeter und ausklappbaren Sonnensegeln wird er wie ein Tetrapack mit Flügeln aussehen. Wenn er erst einmal ab etwa 2020 in einem Orbit um die Erde gleitet, werden jedenfalls viele Augen auf ihn bzw. die Daten, die er liefert, gerichtet sein.

Pretty steht auch nicht für "hübsch", sondern für Passive Reflectometry. "Der passive Reflektometer fängt Signale von Navigationssatelliten wie GPS und Galileo ein und ermöglicht eine präzise Höhenmessung", sagt Otto Koudelka, Projektleiter für die Mission Pretty von der TU Graz. Am Montag wurde bekanntgegeben, dass das Konsortium, das aus TU Graz, der Wiener Firma Ruag Space und den Seibersdorf Laboratories besteht, von der europäischen Raumfahrtagentur Esa den Zuschlag für den Bau des neuen Minisatelliten bekam.

"Der Satellit kann sowohl direkte GPS-Signale als auch vom Boden reflektierte empfangen. Anhand der Laufzeit der Signale können bis auf Zentimeter genaue Höhenmessungen durchgeführt werden", sagt Koudelka. "Diese Methode ist viel günstiger als sonst übliche Radarmessungen." Da Wasser und Eis die Navigationssignale besonders gut reflektieren, soll Pretty vorerst zur Vermessung von Meereswellen und Eismassen an den Polen und auf Gletschern eingesetzt werden und somit der Klimaforschung dienen.

Mit an Bord ist auch ein neu entwickelter Sensor, der die kosmische Strahlung misst. "Bei Kleinsatelliten werden keine teuren strahlungsresistenten Elektronikkomponenten eingebaut, sondern Industriebauteile, die empfindlich auf Strahlung reagieren können", sagt Koudelka. Mit dem Sensor können Strahlungsanomalien festgestellt und bei Bedarf Instrumente abgeschaltet werden.

Pegasus am Start

Pretty ist der fünfte Satellit, der mit wesentlicher Beteiligung österreichischer Forscher ins All geschickt wird. Die beiden Forschungssatelliten Tugsat-1 der TU Graz und Unibrite der Uni Wien kreisen bereits seit 2013 als Teil der Brite-Konstellation um die Erde und liefern seither Daten zu den Eigenschaften sehr heller Sterne im Umfeld von Orion, Centaurus und Perseus. Quasi am Start steht Pegasus der FH Wiener Neustadt. In der letzten Juniwoche wird er von Indien aus in den Orbit geschossen, um Daten über die Beschaffenheit der Erdatmosphäre zu sammeln.

Der nächste Kandidat ist Ops-Sat, der unter der Federführung der TU Graz entwickelt wird und als erster Esa-eigener Nanosatellit Ende 2018 ins All starten soll. "Ops-Sat ist ein kleines fliegendes Labor, mit dem Softwaresysteme und Video- und Bilddatenübertragungstechniken getestet werden können", sagt Koudelka.

Die Ops-Sat-Technologie, die derzeit in den Labors der TU Graz getestet wird, bildet auch das Herzstück von Pretty, der im Gegensatz zu den anderen "Austro-Satelliten" wirklich ausschließlich in Österreich fabriziert wird. Für Entwicklung und Bau stehen 2,5 Millionen Euro zur Verfügung, die das Verkehrsministerium über die Esa bereitstellt. Die Reflektometer-Software wiederum wurde bereits im Rahmen eines Projekts des Austrian Space Applications Programme des Verkehrsministeriums entwickelt.

Nicht nur von Österreich aus erobern die Minisatelliten, auch unter den Namen Nanosatelliten oder Cubesats bekannt, nach und nach den Weltraum. Die billigen Kleinsatelliten, die oft nur wenige Kilo wiegen, dienen vor allem dazu, neue Technologien rasch in erdnahen Umlaufbahnen auszuprobieren, bevor sie in große Satelliten eingebaut werden.

Paradigmenwechsel

"Es hat in dieser Hinsicht einen gewaltigen Paradigmenwechsel gegeben", sagt Otto Koudelka. Der wurde 1999 eingeläutet, als die Stanford University und die California Polytechnic State University ein internationales Kleinsatellitenprogramm starteten, damit Studenten an der gesamten Entwicklung und dem Betrieb der Flugkörper hautnah teilhaben konnten. "Früher wurden die Cubesats abfällig als Spielzeuge für Studenten und Weltraumschrott mit Sender dran bezeichnet. Heute boomt der Markt für Kleinsatelliten."

Zwar tüfteln noch immer häufig Studierende an den Minisatelliten, längst sind aber auch große Raumfahragenturen und die Industrie auf den Zug aufgesprungen, und Start-ups in aller Welt planen ganze Flotten von Nanosatelliten in die Erdumlaufbahn zu schicken, die ein flächendeckendes Netz bilden – etwa um punktgenaue Wettervorhersagen zu ermöglichen, den Schiffsverkehr zu regeln oder prompt Bilder von Naturkatastrophen zu liefern, wofür große Satelliten länger brauchen würden.

Das Megaprojekt One Web, an dem unter anderem der Tycoon Richard Branson beteiligt ist, plant, mehr als 600 (etwas größere) Kommunikationssatelliten ins All zu schicken, um in jeden Winkel der Welt Breitbandinternet zu bringen. Andere Projekte zielen darauf ab, eine sichere Infrastruktur für ein Internet der Dinge, in dem alle möglichen Geräte miteinander vernetzt sind, zu garantieren.

Weltraumschrott

Doch was bedeutet das für den jetzt schon gefährlich anwachsenden Schrott im All, wenn immer mehr kurzlebige Klein- und Kleinstsatelliten durch den Orbit schwirren? "Die Bahn wird so gewählt, dass unsere Satelliten maximal in einer Höhe von 600 Kilometern fliegen", sagt Koudelka. Durch die in dieser Höhe noch vorhandenen Luftschichten wird der Satellit leicht abgebremst, wodurch die Bahn in einer langsamen Spirale verläuft, bis der Trabant irgendwann in den dichteren Luftschichten verglüht.

"Österreich hat sich im seit 2011 geltenden Weltraumgesetz zu einem Code of Conduct verpflichtet, demnach Satelliten nicht länger als 25 Jahre im All bleiben dürfen", schildert Koudelka. Es gebe aber auch bereits Konzepte für ausfaltbare Segel und kleine chemische oder elektrische Antriebe, die ein schnelleres Abbremsen ermöglichen. Das wird nötig sein – sonst wird es bald eng in der Kinderstube der Satelliten. (Karin Krichmayr, 14.6.2017)