Zynisch planiert der Kreml seit Jahren die politische Landschaft in Russland. Auch die Proteste am 12. Juni wurden kräftig behindert. Die von oben "erlaubten" Demonstrationen waren nicht als Handreichung zu verstehen, sondern als ausgestreckter Arm, an dem die Opposition verhungern sollte. Seht zu, wie viele Leute ihr unter solchen Umständen mobilisieren könnt, lautete die hämische Botschaft.

Putin-Kritiker Alexej Nawalny hat durch die plötzliche Verlegung der Proteste in Kreml-Nähe den Spieß umgedreht, damit aber auch die Zuspitzung des Konflikts zwischen Polizei und Demonstranten bewusst provoziert. Was kam, war vorhersehbar: Die Polizei griff hart durch und nahm Hunderte, darunter viele Minderjährige, fest. Im Internet und im Ausland produzierte die Aktion die gewünschten Bilder. Auf diese Emotionalität zu setzen ist populistisch. Um den juristischen Schutz der Festgenommenen kümmert sich Nawalny kaum. Das ist verantwortungslos.

Die gute Nachricht: Die Demonstranten sind nicht für Nawalny auf die Straße gegangen. Es ging ihnen nicht darum, Präsident Wladimir Putin gegen seinen bekanntesten Kritiker auszutauschen, sondern darum, das System zu ändern. Sie sind Korruption, politische Stagnation und ständiges Propagandagedöns leid. Will Putin 2018 wiedergewählt werden, muss er die Ursachen der Unzufriedenheit bekämpfen – und das ist nicht die Opposition.(André Ballin, 13.6.2017)