Der erste Staatsbesuch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Nachbarland Ungarn war von einer folgenschweren Abstimmung im dortigen Parlament überschattet. Die Abgeordneten der Fidesz-Partei des Rechtspopulisten Viktor Orbán winkten ein neues NGO-Gesetz durch, mit dem kritische Zivilorganisationen schikaniert und am Ende mundtot gemacht werden können.

Als Van der Bellen am Dienstag Orbán in dessen Amtsräumlichkeiten im Budapester Parlamentsgebäude gegenübersaß, hatte dieser keine zwei Stunden zuvor zusammen mit 129 weiteren Fidesz-Abgeordneten den Ja-Knopf bei der Schlussabstimmung über das sogenannte "Gesetz über die Transparenz von auslandsgeförderten Organisationen" gedrückt. Inwiefern dies Inhalte und Stimmung des Gesprächs zwischen den beiden Staatsmännern beeinflusst hat, erschloss sich der Presse nicht, ein anschließendes Briefing war nicht vorgesehen.

Kritik aus dem Europarat

Zeitgleich mit dem Votum im ungarischen Hohen Haus hingegen war Van der Bellen mit seinem formalen Gastgeber, dem ungarischen Staatspräsidenten János Áder, vor die Medien getreten. Im räumlich dislozierten Sándor-Palais auf der Budaer Burg konnte Áder auf eine Journalistenfrage hin so tun, als ob er nicht wüsste, welche kosmetischen Änderungen noch unmittelbar vor der Schlussabstimmung ins NGO-Gesetz einfließen würden. Van der Bellen sagte immerhin: "Ich würde es begrüßen, wenn allfällige Empfehlungen der Venedig-Kommission sehr ernst genommen würden."

Diese ist ein vom Europarat eingesetztes Gremium von Rechtsexperten. In ihrer vorläufigen Expertise hatte sie das NGO-Gesetz kritisiert, vor allem die Bestimmung, dass sich die betroffenen NGOs in all ihren Publikationen und Internetauftritten selbst als "auslandsgeförderte Organisationen" stigmatisieren müssen.

Van der Bellen traf auch mit Rektoren und Professoren der Budapester Universitäten, darunter der bedrängten Central European University (CEU), zusammen. Im April hatte das Parlament ein Hochschulgesetz gebilligt, das so auf die CEU "zugeschnitten" ist, dass diese möglicherweise zusperren müssen wird. (Gregor Mayer aus Budapest, 14.6.2017)